Arbeitsblatt: Co Abhängigkeit

Material-Details

Erläuterungen über die Co Abhängigkeit
Lebenskunde
Drogen / Prävention
klassenübergreifend
16 Seiten

Statistik

109202
1315
2
03.01.2013

Autor/in

Jessica Stauber
Land: Schweiz
Registriert vor 2006

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Textauszüge aus dem Inhalt:

Systemische Überlegungen Systeme und Rollenverhalten Wir leben in Systemen Wir leben und bewegen uns ein Leben lang in Gruppen (Systemen). Jede Gesellschaft ist ein System. Als Kind und Jugendlicher kommen wir im Laufe unseres Lebens in Kontakt mit verschiedenen Subsystemen wie Familie, Freundeskreise, Vereine (Sport, Musik, Hobby), Jugendgruppen (Pfadi, Jungschar), Kindergarten, Schule oder Lehrbetriebe. Als Erwachsene bilden wir unsere eigenen Systeme in Beziehungen und Familie und bewegen uns in Systemen wie Universität, Arbeitsplatz, Vereine, Verbände oder Parteien. Ein Leben lang nehmen wir in allen diesen Systemen flexibel und intuitiv zu uns passende Rollen an und leisten damit unseren Beitrag zum Funktionieren der Systeme. Wie Systeme funktionieren lässt sich am besten mit einem Mobilemodell veranschaulichen. Ein Mobilemodell hat gleich wie ein System hierarchische Ebenen, in welchen jede Figur ihren Platz hat. In einem Mobilemodell hängen oben die Eltern, Lehrpersonen oder Lehrmeister, weiter unten Kinder, SchülerInnen oder Auszubildende. Das Mobilemodell lässt uns erkennen, dass alle Figuren ihr Gewicht haben, miteinander zusammenhängen und verbunden sind. Ausserdem ist es laufend in Bewegung und sucht sein Gleichgewicht. Ziehen wir an einer Figur, erhält diese mehr Gewicht und geht etwas nach unten. Die Folge: Die anderen Figuren zieht es nach oben und das Mobilemodell und die Figuren geraten kurz aus dem Gleichgewicht. Das zeigt uns: Alle Figuren sind von den anderen Figuren sowie von Veränderungen abhängig. In einem System sind wir alle mit betroffen Übertragen wir nun die Betrachtungen am Mobilemodell auf ein System. Wenn Ereignisse von aussen auf das System treffen oder wenn Personen dieses Systems sich oder ihr Verhalten verändern, verursacht dies jedes Mal Bewegungen, die das System vorübergehend aus dem Gleichgewicht bringen. Wir haben, wie die Figuren am Mobilemodell, unseren Platz, unser Gewicht und sind von jeder Bewegung bzw. von jedem Ereignis, das auf das System trifft, mit betroffen. Unser Rollenverhalten in einem intakten System Ist das System intakt und verfügen wir und die anderen Systemangehörigen in schwierigen Lebenssituationen über genügend Bewältigungsstrategien, können wir die Bewegungen und jedes vorübergehende Ungleichgewicht zulassen und mit der intuitiven Einnahme von Rollen zu konstruktiven Lösungen und zum Funktionieren des Systems beitragen. In einem intakten System nehmen wir Rollen und Rollenverhalten flexibel ein, tauschen diese teilweise und lassen sie wieder los. Dadurch wird die Entfaltung und Weiterentwicklung der Systemangehörigen und des Systems ermöglicht. Risiken von Ungleichgewichten Gerät in einem System ein Mensch in eine schwierige Situation (Überforderung oder Unterforderung bei der Arbeit oder in der Schule, Gewalterfahrungen, schwere Seite 1 16 Erkrankung etc.), dann ist sein persönliches Gleichgewicht gestört und er muss versuchen, eine Lösung zu finden. Verfügt er über zu wenige Lösungsstrategien kann es passieren, dass dieser Mensch sich in ihm bereits bekannten Rollen und Rollenverhalten festfährt, in diesen erstarrt bzw. sich fixiert. Mit der Zeit wird er seine Entfaltung und seinen persönlichen Lebensraum als eingeengt wahrnehmen. Je nach Typ kann er diese Enge zum Beispiel mit Aggressivität zu sprengen versuchen. Oder er möchte der Enge mit innerem Rückzug oder mit Hilfe von Alkohol- und Drogenkonsum entkommen. Die zunehmende Erstarrung bzw. Fixierung in einer Rolle und entsprechendem Rollenverhalten sowie die gewählten Bewältigungsstrategien, auch Kompensationsversuche genannt, werden von uns als störendes (dysfunktionales) Rollenverhalten und als System gefährdend erlebt. Das früher intakte System und wir selbst geraten mehr und mehr aus dem Gleichgewicht. Das System selbst ist gestört. Unser Rollenverhalten in einem gestörten System Auf ein gestörtes System reagieren wir mit Angst und Verunsicherung: Das gestörte System könnte auseinander fallen und Schwächen offenbaren (eigene, diejenigen anderer oder die des Systems). Aus dieser Angst und Verunsicherung heraus versuchen wir, dem Menschen mit dem dysfunktionalen Rollenverhalten zu helfen sowie das System wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Wir bemühen uns, Schwächen zu kompensieren und das Auseinanderfallen des Systems zu verhindern. Dies probieren wir zu erreichen, indem wir bestimmte Rollen und Rollenverhalten einnehmen. Zunehmend richten wir unsere gesamte Aufmerksamkeit auf den sich dysfunktional verhaltenden Menschen und seine Schwierigkeiten sowie auf das aus dem Gleichgewicht gefallene System. Ohne dass es uns bewusst ist, verstricken wir uns tiefer und tiefer in Probleme und in ‚helfendes bzw. rettendes Rollenverhalten. Je gestörter das System wird, desto stärker hoffen wir, noch etwas zum Besseren wenden zu können. Wir intensivieren unser Rollenverhalten. Dies hat nach einer gewissen Zeit zur Konsequenz, dass wir in unserem Rollenverhalten erstarren. Den Prozess von einem intakten zu einem gestörten System und die Konsequenzen von starrem, sich wiederholenden Rollenverhalten kann gut am Prozessmobile veranschaulicht werden. Für das dysfunktionale Rollenverhalten eines Menschen hängen wir ein Gewicht an die Mobilefigur, die diesen Menschen symbolisiert. Das Mobilemodell gerät aus dem Gleichgewicht. Wir Mit Betroffenen haben das Bedürfnis, das Ungleichgewicht im System auszugleichen und versuchen, dies mit unserem Rollenverhalten zu erreichen. Dafür hängen wir ein Gewicht an die uns symbolisierende Mobilefigur. Es entsteht ein ‚scheinbares Gleichgewicht auf der gemeinsamen Beziehungsebene. Das Mobilemodell als Ganzes fällt jedoch noch stärker aus dem Gleichgewicht. Sobald der sich dysfunktional verhaltende Mensch wieder mit seinem Rollenverhalten bzw. seinen Kompensationsversuchen reagiert (nun hängen wir wieder ein Gewicht an seine Mobilefigur), gerät das System aufs Neue aus dem ‚scheinbaren Gleichgewicht. Reagieren wir auf dieses neue Ungleichgewicht wiederum ausgleichend, das heisst mit unserem Rollenverhalten, schaffen wir ein weiteres ‚scheinbares Gleichgewicht. Setzt sich dieser Prozess unbemerkt und über einige Zeit fort, wird das System nicht Seite 2 16 nur noch gestörter, sondern auch schwerer und unbeweglicher. Ab an einem gewissen Punkt bricht es zusammen und fällt auseinander. Co-Abhängigkeit Mitgefangen in einer Verhaltens- und Systemstörung Sobald ein Mensch irgend eine Substanz oder ein Verhalten zwanghaft missbraucht oder davon abhängig wird, ist das unmittelbare Umfeld (Unternehmen, Familie, Schule, Verein, Club etc.) unterschiedlich stark mitbetroffen. Risiken von Rollenverhalten in gestörten und suchtbelasteten Systemen Helfen uns unsere Rollen und unser Rollenverhalten am Anfang eines Prozesses in einem gestörten System noch weiter, können sie für uns mit der Zeit zu einem Problem werden. Zum einen ist da das Erstarren in unseren Rollen und Rollenverhalten. Zum anderen wächst auch die Angst, für Probleme keine Lösungen mehr zu finden, zu versagen und die Überzeugung, noch nicht das Richtige unternommen oder noch zu wenig getan zu haben. Die Orientierung nach Aussen nimmt zu. Wir wollen herausfinden, ob unsere Rollen und unser Rollenverhalten, um Probleme zu lösen passend oder nicht passend sind. Dabei können verschiedene Fragen ins Zentrum unseres Denkens rücken: Was würden die anderen in dieser Situation tun? Was erwarten die anderen von mir? Wie stehe ich in den Augen der anderen da? Was denken die anderen? Mit der zunehmenden Aussenorientierung nimmt die Wahrnehmung für eigene Bedürfnisse, Wünsche und Ziele ab. Die Fähigkeit, uns für die Realisierung dieser zu engagieren tritt in den Hintergrund. Wachsende Angst- und Schamgefühle tragen ihr übriges dazu bei, dass wir uns wie gelähmt fühlen und es uns nicht mehr möglich ist, mit anderen über unsere Situation zu sprechen. Der Rückzug und die Isolation von der Gesellschaft sind weitere mögliche Folgen. Ob wir uns selber in einer Rolle und in einem starren Rollenverhalten fixiert haben oder ob wir in diesen Rollen von Menschen im System festgehalten werden: Unsere Not kann derart anwachsen, dass auch wir, wie der sich dysfunktional verhaltende Mensch in Kompensationsversuche (innerer Rückzug, Alkohol- und Drogenkonsum, Gewalt etc.) übergehen. Von co-abhängigem Verhalten spricht man aber erst, wenn jemand so sehr von einer Person und deren Verhalten abhängig ist, dass das eigene Leben und die eigene Person daneben völlig nebensächlich werden. Die co-abhängige Person fühlt sich in der Abhängigkeit oder vom Verhalten eines anderen verstrickt und mitgefangen, lässt sich immer wieder in die Probleme des anderen miteinbeziehen und muss sich laufend neu auf Situationen, die aus einer Abhängigkeit oder anderen Verhaltensstörungen resultieren, einstellen. Co-Abhängige nehmen Personen mit einem problematischen Verhalten einen grossen Teil ihrer Eigenverantwortlichkeit ab und schützen diese durch ihr loyales Verhalten davor, die volle Wirkung ihres missbräuchlichen, störenden Verhaltens bzw. Konsums und die damit verbundenen Konsequenzen im vollen Umfang zu erfahren. Seite 3 16 Auch typisch für co-abhängiges Rollenverhalten ist: • Verhalten bzw. auffälliger Konsum nicht ansprechen, bagatellisieren, verharmlosen. Das Thema nicht ansprechen, bagatellisieren Jeder trinkt hin und wieder über seinen Durst und verharmlosen Ach er hat ja nur ein paar Gläschen getrunken. • Zudecken verheimlichen leugnen Versuch, Missstände, missbräuchliches Verhalten oder Konsumieren oder auch eine Abhängigkeit zu übersehen, sich neutral zu verhalten, zu verharmlosen. • Scheinhilfen Finanzielle Zuwendungen, Unterstützung bei persönlichen und betrieblichen Pflichten, stundenlanges Anhören von Nöten und Ärgernissen. • Problemsuche Gemeinsames Suchen nach möglichen Problemen, die das Problem verursacht haben könnten. • Kumpanei Wechselseitiges Verdecken von Problemen, wechselseitiges Benutzen der Schwäche des anderen. Merkmale von Co-Abhängigkeit Hier finden Sie eine knappe Zusammenfassung der auffälligsten Merkmale von sich co-abhängig verhaltenden Menschen. Haben Sie Mut und sprechen Sie Menschen, welche diese auffälligen Merkmale zeigen mit Respekt und Wertschätzung an! Seite 4 16 Körperliche Erkrankung (funktionale und psychosomatische) • • • • • Co-Abhängige entwickeln ihre eigene Abhängigkeit Kopfschmerzen Rückenschmerzen Atemprobleme Herz-, Magen- und Darmschmerz Zu hoher Blutdruck Weitere Merkmale • • Selbstbezogenheit • • • • • • Essstörungen Überaktivität Arbeitssucht Verschwendungssucht Beziehungssucht • zuweilen Drogen Weitere Merkmale Aussenorientierung, das hervorstechendste Merkmal Täuschungsmanöver-Was denken die anderen von mir? Kein Vertrauen Übertriebene Fürsorge Märtyrer-Haltung Angst Starrheit Rechthaberei Nicht zu seinen Gefühlen stehen Unehrlichkeit • • • • • • • • • • • • • • • Nähe-Distanz-Problem Sich nicht abgrenzen können Klammerbeziehungen Sich unentbehrlich machen Kontrollieren Nicht in Kontakt mit eigenen Gefühle sein Egozentrik Leichtgläubigkeit Verlust der eigenen inneren Moral Quellen: Literatur vom Blaukreuz-Verlag Wuppertal und Co-Abhängigkeit von Ann Wilson-Schaef Die Phasen der Co-Abhängigkeit Um die Merkmale einer Co-Abhängigkeit und vorallem den Prozess einer Systemstörung und die Reaktionen der Systemangehörigen auf schwieriges Rollenverhalten, Missbrauch oder Abhängigkeit von Substanzen noch aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, wird ein weiteres Modell beigezogen. Dieses Modell zeigt einerseits die typischen ‚Phasen und andererseits, die charakteristischen Verhaltensweisen in einem gestörten System. Die ‚Phasen können sich vermischen, abwechseln oder wiederholen. Bagatellisierung und Verdrängung • Es werden Veränderungen, Spannungen, abnehmende Kommunikation, Stimmungsschwankungen, häufiger Streit und Stress im Zusammensein und Zusammenleben wahrgenommen. Unstimmigkeiten werden bagatellisiert. Seite 5 16 • • Mit Bagatellisieren, Zudecken, Verheimlichen, Verdrängen und Leugnen wird versucht, Missstände, dysfunktionales Verhalten oder das Brechen von Regeln zu übersehen. Man verhält sich neutral, verharmlost oder schweigt: So schlimm ist es auch wieder nicht! Bei uns ist alles in Ordnung! Wir haben es im Griff! Erklärungen und Entschuldigungen • • • Oft versuchen Systemangehörige das dysfunktionale Verhalten eines Menschen zu entschuldigen und zu erklären. Sie übernehmen zunehmend Verantwortung für ihre Angelegenheiten und verheimlichen oder decken ihre Unregelmässigkeiten vor anderen. In der Hoffnung, eine Systemstörung und dysfunktionales Verhalten in den Griff zu bekommen wird bei persönlichen, schulischen oder beruflichen Pflichten die sich dysfunktional verhaltende Person unterstützt oder entlastet; werden stundenlang die Nöte und Ärgernisse des sich dysfunktional verhaltenden Menschen angehört. Kontrolle Manipulation Systemangehörige verwenden viel Zeit und Energie darauf, Menschen mit dysfunktionalem Verhalten in Schach zu halten. Auflagen und Kontrollen sollen das Verhalten beeinflussen und reglementieren. Formen der Kontrolle über einen sich dysfunktional verhaltenden Menschen können sein:Dessen Schwächen zum eigenen Vorteil nutzen; Ihn beim Lügen zu ertappen versuchen; Personen, die dysfunktionales Rollenverhalten unterstützen oder verstärken können, fern halten; Probleme des sich dysfunktional verhaltenden Menschen zu lösen oder zu verhindern versuchen; Ein Ultimatum stellen. Anklage Wenn die aktuelle Situation als untragbar erlebt wird und alle Versuche, dem sich dysfunktional verhaltenden Menschen zu helfen, erfolglos geblieben sind, kommt es häufig vor, dass Vorwürfe laut werden: • • Wegen dir bricht alles auseinander. Wegen dir geht es uns allen schlecht. Man teilt die eigene Last dem sich dysfunktional verhaltenden Menschen mit und droht nicht selten Konsequenzen an, wenn sich dessen Rollenverhalten nicht ändert. Typische Rollen In dysfunktionalen bzw. gestörten Systemen werden von den Menschen typische Rollen übernommen mit dem Versuch, das aus dem Gleichgewicht geworfene System zurück ins Gleichgewicht zu bringen, Mankos zu kompensieren, nach Seite 6 16 Aussen hin als normal zu erscheinen oder um die Aufmerksamkeit weg vom störenden Teil im System mit anderen Problemen hin auf sich selbst zu ziehen. Typische Rollen der Erwachsenen sind: Die Retter, Fürsorglichen, Rebellen, Ankläger und die sich innerlich Zurückziehenden. Leben Kinder und Jugendliche in einem aus dem Gleichgewicht gefallenen sozialen System, können auch sie häufig in typische Rollen schlüpfen oder bekommen diese vom System zugewiesen, um so ihren Beitrag zum Systemausgleich zu leisten. Die häufig beobachtbaren, typischen Rollen bei Kindern und Jugendlichen sind: Der Held, Sündenbock, Clown, Vergessen und der Harmonie Schaffende Kinder und Jugendliche, die länger in einer Rolle verbleiben und sich in dieser Rolle festfahren oder von ihrem Umfeld in dieser festgehalten werden, sind in der Identitätsbildung und -weiterentwicklung sowie Kontaktpflege mit der Aussenwelt behindert. Ausbrüche in Gewalt oder die Flucht in den inneren Rückzug oder den Missbrauch von Alkohol und Drogen sind oft Konsequenzen von Rollenfixierungen. Rollen von Kindern und Jugendlichen in schwierigen familiären Situationen In intakten Familien ist das Einnehmen verschiedener Rollen und der flexible und intuitive Wechsel von Rollen möglich und wird unterstützt. Die freie Entfaltung aller Familienangehörigen ist möglich. Für Probleme werden gemeinsam konstruktive Lösungen gesucht. Besteht jedoch in einer Familie eine schwierige Situation bzw. eine Störung hat dies für Kinder und Jugendliche Folgen. Zum Beispiel sind bzw. werden Rollen und entsprechendes Rollenverhalten vorgegeben oder wird die Einnahme von bestimmten Rollen durch Kinder und Jugendliche zugelassen. Rollen und Rollenverhalten werden auch entsprechend dem Platz in der Geschwisterreihe, dem Alter, Geschlecht und der Reife angenommen. Kinder und Jugendliche versuchen, sich mit diesen Rollen der Familiendynamik bzw. dem Prozess des Familiensystems anzupassen und zur Erhaltung oder Wiedererlangung des Familiengleichgewichts beizutragen. In Ein-Kind-Familien können Kinder bzw. Jugendliche mehrere Rollen einnehmen. In kinderreichen Familien kann eine Rolle wiederum von mehreren Kindern und Jugendlichen ausgefüllt werden. Nachfolgend sind fünf typische Rollen, die in schwierigen, familiären Situationen oft vorgegeben bzw. angenommen oder zugelassen werden, das entsprechende Rollenverhalten und die Gefühlsebene auf vereinfachte Art und Weise beschrieben. Vor Schubladisierung und Diagnosestellung soll man sich unbedingt hüten. Aber: Um sich eine Vorstellung darüber zu verschaffen, welche typischen Rollen und entsprechendes Rollenverhalten Kinder und Jugendliche in schwierigen, familiären Situationen unbewusst einnehmen bzw. vom Familiensystem vorgegeben oder zugelassen werden, ist diese Übersicht hilfreich. Helden Sie sind of altklug, suchen Anerkennung und Lob und signalisieren nach Aussen: Ich habe es im Griff! Sie sind oft selbstkritisch und können ihre Gefühle übermässig kontrollieren. Sie beobachten genau, was läuft, wie die Stimmung ist, um rechtzeitig mit ‚passendem Seite 7 16 Rollenverhalten Situationen zu entschärfen oder ‚rettend beizustehen. Dadurch können sie ‚lernen, sich stark an Leistungen zu orientieren und viel Verantwortung zu übernehmen. Sündenböcke Oft leben sie ihre Gefühle so aus, dass sie sich und anderen schaden. Mit ihrem Fehlverhalten lenken sie die Aufmerksamkeit von der schwierigen familiären Situation und den darunter verborgenen Problemen ab und auf sich. Sie können die Schuld für die schwierige, familiäre Situation übernehmen oder werden manchmal auch von der Familie selbst mit dieser überhäuft. Die Beziehung suchen sie eher durch Konfrontation als durch Anpassung. Clowns Sie sind sehr sensibel für die familiären Spannungen und versuchen diesen frühzeitig durch Witze vorzubeugen bzw. diese zu entschärfen. Sie verhalten sich meist nett und unreif, sehr spontan und haben Sinn für Humor. Weil sie Mühe haben, die Grenze zum Aufhören zu finden, können sie wiederum auch den Ärger der Familienangehörigen auf sich ziehen. Vergessene Sie wirken meist ruhig, zurückgezogen, sind unauffällig oder auch verschlossen. Sie geben sich leicht geschlagen, schliessen sich der Meinung der Mehrheit an und stellen eigene Bedürfnisse zurück. Sie kapseln sich ab und haben dabei den Wunsch, unverletzbar zu sein. Sie leugnen Probleme und betäuben oder unterdrücken ihre Gefühle. Harmonie Suchende Ihr Motto könnte bezeichnet werden als ‚Harmonie um jeden Preis. Sie haben das Bedürfnis, den Frieden und die Harmonie zu erhalten. Dazu vermeiden sie Konflikte oder beschwichtigen bei Problemen. Im Umgang mit anderen sind sie verständnisvoll, einfühlsam und können gut zuhören. Rollen und Rollenverhalten können problematisch werden Die emotionale Unterernährung von Kindern und Jugendlichen, die sich in diesen typischen Rollen und Rollenverhalten festgefahren haben, bleibt unsichtbar. Trotzdem: Sie erleben Angst, Trauer, Wut, Misstrauen, Schuldgefühle, Verlassenheit, Einsamkeit und Bedeutungslosigkeit. Sie haben das Gefühl der Enge, da ihre Entwicklung, ihr Lebensraum und ihre Kontaktpflege eingeschränkt sind. Sie fühlen sich schuldig, minderwertig, nicht dazu gehörend, zurück gewiesen, verlassen, als Opfer oder überrannt, wie wenn sie nicht vorhanden wären. Verbleiben Kinder und Jugendliche zulange in einer dieser typischen Rollen und entsprechendem Rollenverhalten, besteht die Gefahr, dass sie in diesen erstarren bzw. sich in diesen fixieren. Dies ist für sie heikel, da sich ihre Persönlichkeit und Identität in der Entwicklung befindet und durch das Fixieren in Rollen und Rollenverhalten stark eingeschränkt werden kann. Folgen von Problemen mit Rollen Haben sich Kinder und Jugendliche in einer Rolle festgefahren bzw. fixiert, versuchen sie die daraus entstandene Enge zu ‚sprengen bzw. zu kompensieren. Das kann wiederum belastend und störend auf Familien und andere Systeme wie die Schule einwirken. Seite 8 16 Das Umfeld von Kindern und Jugendlichen nimmt oft erst wahr, dass diese in Rollen und entsprechendem Rollenverhalten erstarrt bzw. fixiert sind, wenn diese mit Kompensationsversuchen auffällig werden. Von aussen können dabei Kompensationsversuche, wie nachfolgend beschrieben, wahrgenommen werden: • • • Abweichendes Verhalten wie Aggressivität, Gewalt, Mobbing, Alkohol- und Drogenmissbrauch, Essstörung, Missbrauch von Schwächeren, Stehlen, Erpressen, Vandalisieren oder sich extremen Meinungen anschliessen. Emotionale Probleme wie verzerrte Gefühle, blockierte Kommunikation, Versagensangst, Depression, Über-/Unterforderung, Zurückgezogenheit, negative Haltung gegenüber Erwachsenen und gegenüber sich selber, geringe Anerkennung im Freundeskreis auf Grund des Rollenverhaltens, leichte Beeinflussbarkeit, mangelnde Beziehungsfähigkeit, Unehrlichkeit u.a. Schulische Probleme wie Lernschwierigkeiten, Lesehemmungen, Konzentrationsschwäche oder den Unterricht nicht mehr besuchen. Co-Abhängigkeit Neuorientierung Systemwechsel Der Ausstieg aus einer Co-Abhängigkeit bedeutet ein richtiggehender Systemwechsel. Nämlich den Wechsel vom Abhängigkeitssystem zum System eines lebendigen Prozesses. Um seine Klarheit zurückzugewinnen, müssen wir unser Leben, unsere Einstellungen, unser Rollenverhalten, Denken und Tun von Grund auf überprüfen und ändern. Wie können Sie als von co-abhängigem Rollenverhalten betroffene Person handeln? • • • Sie können dem Abhängigen Adressen von Beratungsstellen abgeben. Ob er diese dann aufsucht oder nicht, ist ihm selbst zu überlassen. Mit Hilfe durch Nicht-Hilfe! An die Stelle des bisherigen Haltens und alles im Griff haben wollen tritt das Loslassen. Sie lassen so den Abhängigen aber nicht im Stich oder geben ihn auf! Aber: Statt ihm ein Lseben mit der Abhängigkeit noch zusätzlich zu erleichtern, gestatten Sie ihm, seine Abhängigkeit am eigenen Leib, an der eigenen psychischen Verfassung wahrzunehmen. So durchbrechen Sie die festgefahrenen Beziehungsmuster und bringen Bewegung in die erstarrte Beziehung. Hilfe durch Nicht-Hilfe heisst so also nicht Nichts-Tun, sondern ist echte Hilfe. Für Co-Abhängige ist der Weg der Nicht-Hilfe ein umfassender und schmerzhafter Prozess der Veränderung. Dieser Prozess ist vergleichbar mit dem Prozess der Bewältigung einer Abhängigkeit. Hier wie dort sind eine Vielzahl von alten Überzeugen und Rollenmuster zu überprüfen, neuen Einstellungen und Verhaltensweisen zu erlernen und in die Tat umzusetzen. Sie als mitbetroffene Person nehmen eine professionelle, auf Ihre Ressourcen, Ihr Umfeld sowie auf die Umsetzung von Lösungen hin und partnerschaftlich ausgerichtete Beratung in Anspruch. Damit wird es Ihnen möglich, Ihre Mauer des Schweigens zu durchbrechen, sich einem anderen Menschen anzuvertrauen und sich damit ein Stück weit zu entlasten, um wieder zu Kräften zu kommen. Diese Kräfte brauchen Sie, um den nötigen Seite 9 16 Abstand zum Abhängigen zu gewinnen, Ihre eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und umzusetzen, Ihren eigenen Lebenssinn zu entdecken und mit Ihrer gewachsenen Klarheit für ein positives Klima in Ihrem Leben und in jenen Systemen, in welchen Sie sich bewegen mit beizutragen. Wenn Sie für all diese Schritte Begleitung brauchen und wollen, haben Sie ein Recht auf diese! Co-Abhängigkeit in Betrieben Auch für Unternehmen ist die Betriebliche Co-Abhängigkeit und deren Folgen eine Realität. Aus: Eine Studie des Instituts für Wirtschafts- und Regionalforschung der Universität Neuenburg (IRER) unter Professor Claude Jeanrenaud im Auftrag des BAG (2003) hat folgende Ergebnisse veröffentlicht. Bei ca. 30000 Alkohol-Abhängigen und bis ca. 90000 Co-Abhängigen in der Schweiz • • • 4,3 Milliarden immaterielle Kosten: Verlust an Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Umgebung. 1,5 Milliarden indirekte materielle Kosten: Produktionsverlust wegen Krankheit, Invalidität oder frühzeitigem Tod, erhöhtes Risiko für Arbeitslosigkeit. 0,7 Milliarden direkte materielle Kosten: Medizinische Behandlung, Therapieaufenthalte, Kompensation materieller Schäden, z.B. von Unfällen. Folgende Symptome lassen sich in der Interaktion zwischen betroffenen Abhängigen und Vorgesetzten sowie Mitarbeitern ausmachen: • • • • • • Mangelhaftes Wissen um das Wesen der Abhängigkeit. Gegenseitige Beschuldigungen und Debatten zwischen Betrieb/Mitarbeiter und dem Betroffenen. Arbeitsentlastung, Veranwortungsübernahme und Decken des abhängigen Kollegen durch die Mitarbeiter. Entwicklung einer regelrechten Drogenfahndung Rückfälle in Form inkonsequenten Verhaltens seitens des Betriebes und des abhängigen Mitarbeiters. Fehlentscheidungen und Kurzschlussreaktionen auf beiden Seiten aufgrund unklaren Verhaltens und mangelnder Konsequenz. Co-Abhängigkeit im Betrieb Phasen Die immer wieder durchlaufenen Phasen verstärken mit jedem Durchgang das Verhalten von Abhängigen. Die Beschützer- oder Erklärungsphase Co-Abhängige Vorgesetzte delegieren gewisse Arbeiten nicht mehr an Personen mit schwierigem Verhalten oder mangelhafter Leistung, machen Dinge selbst und sprechen Betroffene nicht auf ihr Verhalten an. Sie suchen nach Erklärungen für ihr Seite 10 16 Fehlverhalten. Notwendige Konfrontationen werden vermieden und einem Harmoniebedürfnis geopfert. Die Kontrollphase Auflagen und Kontrollen sollen das Verhalten der Abhängigen beeinflussen und reglementieren. Jegliches Fehlverhalten, jeglicher Konsum von Substanzen werden tabuisiert. Immer häufiger hängt die eigene Verfassung von derjenigen des sich schwierig Verhaltenden ab. Immer öfters machen sich der aufgestaute Ärger und die Wut bemerkbar. Die Anklagephase Wenn die aktuelle Situation als untragbar erlebt wird und alle Versuche, dem sich schwierig Verhaltenden zu helfen, erfolglos geblieben sind, kommt es häufig vor, dass Vorwürfe laut werden. Die lange aufgestaute Wut und der unterdrückte Ärger bricht nun über diese Personen ein. Sie werden für das schlechte Arbeitsklima im gesamten Betrieb verantwortlich gemacht und somit zum Sündenbock für alle aufgetauchten Probleme. Es kann zur Kündigungen und Trennungen kommen. Quelle: SFA, Lausanne u.a. Helfertypen im Betrieb Co-abhängiges Rollenverhalten Quelle: Hans Klein: Der Alkoholabhängige und seine Helfer, Blaukreuz-Verlag Wuppertal Achtung: Vor Typisierungen und Schubladisierung sollte man sich hüten. Aber: Um sich eine Vorstellung darüber zu verschaffen, welche typischen Rollen und Rollenverhalten Helfende in schwierigen Situationen einnehmen können, ist eine vereinfachende Übersicht, wie sie hier dargestellt ist, hilfreich. • • • • • • • Der väterliche Co Übernimmt Aufgaben und Pflichten für den Abhängigen, weil er ihn für unfähig hält, Selbstverantwortung zu tragen. Der mütterliche Co Er ist das Gegenüber des Abhängigen, das ihn pflegt, umhegt in Sorge für ihn aufgeht. Der kumpelhafte Co Er macht gemeinsame Sache mit dem Abhängigen, drückt ein Auge zu und macht um der Freundschaft und des lieben Friedens willen alles mit. Der berufliche Co Er ist der sozial Engagierte, der sich in seiner Berufsrolle im Gesundheits- und Sozialbereich dem Abhängigen verpflichtet fühlt. Der professionelle Co Er fühlt sich beruflich dem Abhängigen gegenüber verpfllichtet. Er muss etwas für ihn tun, damit er sich als Helfer erfolgreich und gut fühlt. Der kriminalistische Co Er will den Abhängigen überführen und ihm nachweisen, dass er mehr konsumiert hat, als er zugibt. Der gottähnliche Co Er weiss alles. Er weiss genau, was mit dem Abhängigen los ist und was mit ihm zu tun ist. Seite 11 16 • Der hilfreiche Co Die erste Person, die auf der Bühne erscheint ist jemand, den wir den Hilfreichen nennen können, ein hilfsbereiter Herr Makellos?, der sich aus Bersorgnis und Schuldbewusstsein veranlasst fühlt, seinem Freund, dem Abhängigen, aus seiner misslichen Lage herauszuhelfen. Abhängigkeitsprozesse Es gibt an sich gar kein Drogenproblem, sondern ein menschliches Problem. Es gab ein Problem in mir und die Metapher dafür war die Droge. Als ich die Chance hatte, dies zu erkennen, hatte ich eine Perspektive. Konstantin Wecker, Liedermacher, anlässlich der Eröffung der 10. Basler Psychotherapietage am 30.05.2003 Grundsätzlich ist die Schreiberin Sylvia C. Trächslin aufgrund persönlicher Erfahrung der Auffassung, dass es kein Abhängigkeitsproblem, sondern ein MenschseinProblem gibt. Sie betrachtet den Missbrauch bzw. Abhängigkeit von Genussmitteln und Verhaltensweisen als eine Beziehungsstörung des Individuums zu sich selbst, zum Körper, zur sozialen und materiellen Umwelt auf Grund der persönlichen Lebensgeschichte und Fixierung in typischem Rollenverhalten. Aufgrund dieser Betrachtungsweise geht sie davon aus, dass der übermässige Konsum von Genussmitteln bzw. das Ausagieren dysfunktionalem Rollenverhalten einerseits eine Bewältigungsform zum Umgang mit Stressoren auf Grund der eigenen Lebensgeschichte ist und für Betroffene eine beziehungsregulierende Funktion hat. Das Rollenverhalten von Abhängigen ist eine Überlebensstrategie Substanzen werden (miss)gebraucht, um sich zu betäuben, zu entspannen und abzulenken. Sie dienen dazu, das Erlebte und die damit verbundenen unerträglichen Gefühle (Angst, Wut, Hass, Schmerz) zu verdrängen. Ob stoffgebunden oder stoffungebunden: in beiden Fällen wird konsumiert, um ein Lustgefühl zu erreichen, um Unlustgefühle (Frust) zu vermeiden oder Schmerz, Probleme zu verdrängen und der Enge, die mit Rollenfixierungen einhergehen zu entrinnen. Stoffgebundene und stoffungebundene Abhängigkeit Bei stoffgebundenen Abhängigkeiten haben Abhängige ein zwanghaftes Verlangen nach bestimmten Substanzen z.B. nach Alkohol, Nikotin, Medikamenten oder illegalen Drogen. Bei den stoffungebundenen Abhängikeiten handelt es sich um Tätigkeiten und Verhaltensweisen, nach denen ein zwanghaftes Verlangen besteht. Dazu gehören vor allem: Arbeitssucht, Glücksspiele, Gamen, Internet-Surfen, Sex haben (Sexsucht) oder Shoppen/Einkaufen (Konsumsucht), aber auch Macht als Rauschmittel häufig anzutreffen im Management und in der Politik. Eine Abhängigkeit kann sich körperlich wie auch psychisch (im Kopf) bemerkbar machen Psychische Abhängigkeit Darunter versteht man das starke, fast unbezwingbare Verlangen, etwas Bestimmtes zu konsumieren (z.B. Alkohol) oder zu tun (z.B. im Internet surfen, um Geld spielen). Seite 12 16 Ein solches zwanghaftes Verlangen entwickelt sich meist, wenn man in gewissen Situationen etwas über längere Zeit hinweg gewohnheitsmässig immer wieder tut oder konsumiert. Wenn man dann plötzlich wieder darauf verzichtest, reagiert der Kopf: man fühlt sich leer, traurig, frustriert, deprimiert oder unruhig und nervös. Das Leben so scheint es einem ist fast nicht auszuhalten ohne. Jede Abhängigkeit hat mit der Psyche zu tun: Die Substanz oder das Verhalten, das man nicht lassen kann, scheinen dem Leben Sinn zu geben und lassen einem wenn auch nur für kurze Zeit vergessen, was im Leben Schwierigkeiten macht. Solche abhängige Verhaltensweisen sind jedoch nie wirkliche Lösungen für Sorgen und Probleme, sondern im Gegenteil: sie führen schliesslich in einen Teufelskreis von ständigem Verlangen, Frust und Befriedigung, der meist nur schwer wieder zu durchbrechen ist. Körperliche Abhängigkeit Dabei gewöhnt sich der Körper durch regelmässigen Konsum derart an ein Suchtmittel (legale und illegale Drogen, zum Teil auch Medikamente), dass er mit Entzugserscheinungen reagiert, wenn er die Suchtmittelsubstanz nicht mehr bekommt. Die körperlichen Entzugserscheinungen können sein: Zittern, Kopfschmerzen, Schweissausbrüche, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Schlaflosigkeit usw. Körperlich abhängig kann man nur von Substanzen werden, d.h. von Stoffen, die man dem Körper zuführt. Die körperliche Abhängigkeit kommt praktisch nie alleine vor. Sie wird fast immer von einer psychischen Abhängigkeit begleitet. Um eine starke körperliche Abhängigkeit zu überwinden, braucht es meist ärztliche und psychologische Hilfe im Rahmen eines Entzugsprogramms. Was sind die Kriterien für eine stoffgebundene Abhängigkeit? Toleranzentwicklung (Dosissteigerung). Entzugssymptome. Tausch gegen andere Substanzen. Versuch zur Kontrolle der Sucht. Grosser Zeitaufwand für die Substanzbeschaffung Zentrale Merkmale der Abhängigkeit sind: Der Zwang, Substanzen konsumieren oder Handlungen ausüben zu müssen. Die Verzerrung der Realitätssicht. Die Verleugnung der Problematik, welche wiederum das Eingreifen von aussen schwierig macht. Abhängiges Verhalten zeichnet sich aus durch eine Art Masslosigkeit. Nicht die Einnahme von überpotentiell gefährdenden Substanzen macht das abhängige Verhalten aus, sondern das Ausmass des Konsums. Ausdruck eines destruktiven, in zunehmendem Masse unstabil werdenden Zustandes können folgende Merkmale und Kennzeichen des abhängigen bzw. gefährdeten Angehörigen, Freundes oder Mitarbeiters sein, wobei die Aufzählung keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt: • • • • Rauschzustand, wiederholte Alkoholfahne Häufiges Zuspätkommen und viele Fehlzeiten Überreaktion bei Kritik von aussen Verstrickung in Widersprüche und Lügen Seite 13 16 • • • • • Angst- und Unruhezustände Ausweich- und Isolationstendenzen Suche von Konsumgelegenheiten Bagatellisieren des Konsumverhaltens Konflikte in der Familie • • Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen • Beteuerungen, künftig abstinent zu bleiben. Realitätsverlust Der Ausstieg aus einer Abhängigkeit kann in folgenden Phasen verlaufen Kontaktphase, Entziehungsphase, Entwöhnungsphase, Rehabilitationsphase. Die Therapiekette kann wie folgt geplant werden Ärztliche Behandlung, Spezialisierter Sozialdienst, Entzug alleine, ambulant oder in einer Suchtkrankenklinik, Übergangsheim, Psychotherapie ambulant, teilstationär, stationär, Gruppentherapie, Selbsthilfegruppen, Nachsorge, Trauerprozess, Ehrenrunden. Bekannte und greifende Therapie- und Beratungsformen bzw. -prozesse sind NLP-Kurzzeittherapie, Systemisch-lösungsorientierte Kurzzeittherapie, Verhaltenstherapie, Hypnotherapie, Körpertherapie, Gestalttherapie, Familienaufstellungen, Living-Process nach Anne Wilson Schaef, Maltherapie, Sport. Alkohol als Suchtmittelsubstanz Zahlen und Fakten Bevölkerungsumfragen, deren Ergebnisse nur eine grobe Schätzung darstellen, kommen zum Schluss, dass in der Schweiz mit über 30000 Personen gerechnet werden muss, die alkoholabhängig oder abhängigkeitsgefährdet sind. Die Folgeschäden eines zu hohen Alkoholkonsums wirken sich auf die körperliche, psychische und soziale Gesundheit der Konsumierenden bzw. deren Umgebung negativ aus. Erkrankungen der Leber oder anderer Organe, Herz-KreislaufKrankheiten bis zu Krebs können die Folgen eines überhöhten Alkoholkonsums sein. In der Schweiz trinken ca. 1200 Kinder täglich Alkohol in Form von alkoholischen Süssgetränken oder Mischgetränken. 10% der 11-16jährigen trinken wöchentlich Bier. Die Gefahr einer Alkoholabhängigkeit steigt, je früher die Kinder Alkohol trinken.Alkoholisierung ist einer der wichtigsten Ursachen für Verkehrsunfälle. Je schwerer ein Verkehrsunfall ist, desto häufiger ist Alkohol im Spiel. Jeder zehnte Verkehrsunfall mit Verletzten und jeder fünfte mit Toten ist alkoholbedingt. Bei den nächtlichen Verkehrsunfällen sind bis zu 50% auf Alkoholkonsum zurückzuführen. Jährlich werden in der Schweiz ca. 1500 Verurteilungen wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand ausgesprochen. Ebenso entstehen enorme wirtschaftliche und menschliche Schäden durch missbräuchlichen Konsum von Alkohol und anderen Substanzen am Arbeitsplatz. 25% der tödlichen Arbeitsunfälle können auf Alkohol oder andere Drogen zurückgeführt werden. Mit zunehmendem Alkoholkonsum steigt auch die Gewaltbereitschaft. Jedes Jahr sterben etwa 3500 Personen das sind rund 10 Personen pro Tag weil sie oder andere zuviel Alkohol getrunken haben. Der Weg zur Abhängigkeit verläuft meist in 3 Schritten: 1. Schritt: Wir haben Probleme, erleben Ängste, Mitmenschen reagieren nach Seite 14 16 unserer Wahrnehmung negativ auf uns, die eigenen Kinder machen Schwierigkeiten, wir fühlen uns in einem Tief und wissen bzw. kommen auf keine Lösungen. Trinken wir dann ein Glas Wein oder eine Stange Bier können wir uns deutlich ruhiger, entspanner, einfach besser fühlen. 2. Schritt: Mit dieser Erfahrung, dass wir uns nach dem Konsum eines alkoholischen Getränks besser fühlen, ist es natürlich, dass wir diese Lösungsstrategie bei einem nächsten Tief wiederholen. Das heikle daran ist, dass wir mit der Zeit einen Mechanismus entwickeln, d.h. wir trinken immer wieder Alkohol und verschaffen uns so die ersehnte Beruhigung oder wenn der Alkohol auch als Zungenlöser erfahren wurde, eine höhere Gelöstheit. 3. Schritt: Der Übergang in eine körperliche Abhängigkeit ist tragischerweise ein fliessender. Unser Körper gewähnt sich zusehends an den Alkohol und verlangt immer wieder nach diesem. Wahrnehmbar ist dies zum Beispiel, dass die eigenen Gedanken immer wieder um den Alkohol bzw. die Beschaffung von Alkohol kreisen. Die Schweissabsonderung wird intensiver und riecht auch schlecht. Morgens können die Hände zittern und erst wieder ruhig werden, wenn ein, zwei oder mehr Schlucke Alkohol getrunken wurden. Es gibt Momente, da können wir noch wahrnehmen, dass wir uns in einem Teufelskreis von Ängsten, Zittern, Unruhe, Schweissausbrüchen und mit dem Trinken von Alkohol wieder in einen alltags- bzw. arbeitsfähigen Zustand zurück bringen befinden. Betrachten wir diese Schritte am Prozessmobile sehen wir folgendes: Mit jedem Durchgang in unsererm Teufelskreis hängen wir ein weiteres Gewicht an die Figur, die uns repräsentiert. Wir sacken immer tiefer ab und wenn noch andere Angehörige in unserem System mit von der Partie sind, hängen die immer mehr in der Luft. Immer mehr in der Luft hängen verunsichert genau so tief. Also haben unsere Angehörigen einerseits das Bedürfnis uns, die trinken, vom Trinken wegzubringen und damit auch das ganze System zurück ins Gleichgewicht zu bringen. Mehr Informationen zu Sucht- bzw. Abhängigkeitsprozessen hier. Was tun, wenn wir Alkohol missbrauchen oder von Alkohol abhängig sind? Anfangs machen wir uns noch vor, dass wir wissen, wann wir mit dem Trinken aufhören müssen und dass wir dies auch jederzeit können. Leider ist es parallel zu unseren Selbsttäuschungen häufig so, dass das Umfeld versucht unseren Missbrauch oder unsere Abhängigkeit von Alkohol zu bagatellisieren, vertuschen und zu leugnen. Trockene Alkoholiker haben gesagt, dass sie lernen mussten zu erkennen, dass ein Alkoholproblem haben und sich dies eingestehen nicht etwas ist, wofür sie sich zu schämen brauchen, sondern wenn sie sich keine Hilfe geholt hätten. Laut der Schweizerischen Fachstelle für Alkohol und andere Drogenprobleme SFA in Lausanne sind schätzungsweise ca. 30000 SchweizerInnen behandlungsbedürftig. Also: Kein Mann und keine Frau steht alleine mit diesem Problem. Im Telefonbuch finden Sie Angaben zu Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen wie Blaues Kreuz, AA, und einschlägigen Beratungsstellen in Ihrer Stadt bzw. Region oder besprechen sie sich mit Ihrem Hausarzt. Quellen: Seite 15 16 Loth C., Rutten R., Husson-Anbeek D., Linde L.; Professionelle Suchtkrankenpflege, Bern, Verlag Hans Huber, 2002 SFA, Lausanne (Fachstelle für Alkohol und andere Drogenprobleme) u.a. Literatur vom Blaukreuz-Verlag Wuppertal und Co-Abhängigkeit von Ann WilsonSchaef Seite 16 16