Arbeitsblatt: der offene Kühlschrank von Franz Hohler
Material-Details
Die Geschichte: der offene Kühlschrank von Franz Hohler
Deutsch
Vorlesen / Vortragen / Erzählen
klassenübergreifend
2 Seiten
Statistik
122304
2761
32
15.10.2013
Autor/in
Marco Müller
Land: Schweiz
Registriert vor 2006
Textauszüge aus dem Inhalt:
Der offene Kühlschrank von Franz Hohler Ein Mann suchte einmal in seinem Kühlschrank ein Himbeer-Joghurt, aber er fand keins. Enttäuscht ging er zur Küche hinaus und vergaß dabei, den Kühlschrank zu schließen. Sosehr der Kühlschrank auch kühlte, in seinem Innern wurde es immer wärmer, und nach einer Weile lief ein kleines Bächlein unten aus ihm heraus. Das ist ja nicht auszuhalten!, stöhnten die Haselnuss-Joghurts. Ist das ein Kühlschrank oder ein Kachelofen?, giftelten die Schweinswürstchen. Wie soll man hier noch frisch bleiben?, ächzte ein Emmentaler Käse, der schon aus allen Löchern tropfte. Mir reicht\, sagte ein Joghurt nature, ich gehe! Wohin denn?, fragten die Würstchen. In die Natur, sagte das Joghurt nature. Ich komme mit!, rief ein Bio-Krachsalat. Wir auch!, riefen die Haselnuss-Joghurts, die Schweinswürstchen, der Emmentaler Käse, die Butter und die zwei Milchpackungen, und auch die Eier und die Tomaten nickten entschlossen. Ein Bier, das vor Wut schäumte, schloss sich ebenfalls an, nur die Essiggurken, die Silberzwiebelchen und die Oliven bleiben in ihren Gläsern und glotzten den andern blöd und träge nach. Die hüpften nun alle zum Kühlschrank hinaus und zogen, angeführt vom Joghurt nature, wie eine kleine, feuchte Karawane ins Wohnzimmer. Bald hatten sie die Topfpalme neben dem Sofa erreicht. So!, rief das Joghurt nature, im Schatten dieser Palme lassen wir es uns wohl sein! Alle ließen sich nun auf dem Teppich am Fuß der Zimmerpalme nieder und genossen die Aussicht auf die Sofalehne, die Stuhlbeine, den Glastisch und den Fernsehapparat. Überall, wo sie saßen, gab es nasse Flecken. Aber es ging nicht lange, da sagte der Emmentaler Käse: Mir ist so heiß. Ja, sagten die Würstchen, es ist hier überhaupt nicht kälter als im Kühlschrank, und den beiden Milchpackungen rannen große Tropfen über ihre Aufschrift hinunter. Kameraden!, rief da das Joghurt, wir verlassen dieses Haus!, und sie erhoben sich und gingen alle zusammen das Treppenhaus hinunter zur Tür hinaus und standen nun auf der Straße. Da es Sommer war, schlug ihnen eine große Hitze entgegen. Es ist heißer als in einer Kuh, sagte eine Milchpackung zu andern. Ich schwitze, sagte der Krachsalat laut. Ich schmelze, sagte die Butter leise. Uns wird ganz schwabblig, sagten die Eier, die Tomaten liefen rot an, und das Bier schäumte stumm vor sich hin. Gut, sagte das Joghurt nature, dann halt zurück in den Kühlschrank. Aber hinter ihnen war die Haustür ins Schloss gefallen, und da standen sie und wussten nicht ein noch aus. In dem Moment kam der Mann zurück, der sich im Milchladen ein paar Himbeer-Joghurts gekauft hatte, und traf fast den ganzen Inhalt seines Kühlschranks vor der Haustüre an. Was macht ihr denn da?, fragt er erstaunt. Ein bisschen frische Luft schnappen, hüstelte das Joghurt nature. Wird ja wohl noch erlaubt sein, sagten die Schweinswürstchen frech, und die anderen schauten verlegen zu Boden. Na dann, sagte der Mann, packte die Joghurts, den Emmentaler, die Würstchen, die Eier, die Tomaten, den Krachsalat, die Butter, die Milch und das Bier in seine Tasche, trug sie hinauf, stellte sie eins nach dem andern in den Eisschrank und schloss die Tür, und bald strömten wieder herrlich kühle Luftzüge um unsere Abenteurer. Die Butter atmete auf, die Würstchen schauten wieder frisch aus der Packung, und der Emmentaler Käse strahlte aus allen Löchern. So, war schön in der Natur?, stichelten die Essiggurken, und die Oliven und die Silberzwiebelchen kicherten dümmlich dazu. Da riefen die Joghurts, der Käse, die Würstchen, die Tomaten, die Eier, der Krachsalat, die Butter, die Milchpackungen und das Bier wie aus einem Munde: Jaaaa! Und alle erzählten noch so lange von der Topfpalme, dem Treppenhaus und der Hitze vor der Haustüre, bis sie gegessen oder getrunken wurden. Franz Hohler: Der große Zwerg und andere Geschichten. Mit Bildern von Nikolaus Heidelbach. 2003 dtv Reihe Hanser. Carl Hanser Verlag, München