Arbeitsblatt: Kurzgeschichte Martin Suter
Material-Details
Kurzgeschichte mit Wortschatzübung und weiterführenden Aktivitäten
Zusätzliche Geschichten zur eigenständigen Bearbeitung unter zusätzliches Material verfügbar
Deutsch
Lesefertigkeit
8. Schuljahr
4 Seiten
Statistik
135056
2750
30
13.08.2014
Autor/in
Marcus Meier
Land: Schweiz
Registriert vor 2006
Textauszüge aus dem Inhalt:
Deutsch: Lesen Wortschatz Kurzgeschichte „ „ Auf diesen Moment hat Fender lange gewartet. Ein Jahr und acht Monate, um genau zu sein. Seit seinem Eintritt in die Siwco lauert er auf eine Gelegenheit, Eggdorf privat etwas näherzukommen. Eggdorf ist der direkte Draht zu Bordmann, die Number one der Siwco. Der einzige, der mit ihm per du ist. Zusammen Militär gemacht, vermutet man, Eggdorf spricht nicht darüber. Er beteiligt sich nie an Gesprächen über Bordmann. Was dazu geführt hat, dass das höhere Kader in seiner Gegenwart nicht über Bordmann spricht. Oder nur sehr respektvoll. Aber selbst dazu hat Fender bisher kaum Gelegenheit gehabt. Und wenn, dann immer vor Kollegen, die ihm ein allzu respektvolles Sprechen über Bordmann als Arschkriecherei auslegen würden. Doch heute will es der Zufall, dass keiner von denen in Hörweite ist. Überhaupt arbeitet der Zufall heute Fender in die Hände: Bei der Einweihung der neuen Logistik-Halle geht er suchend mit einem schlecht assortierten Teller vom kalten Büffet zwischen den Tischen durch und findet keinen Platz auf seinem Level. Da, plötzlich, entdeckt er Eggdorf. Auch er auf der Suche nach einem Platz, auch er mit einer gewagten Mischung aus Vor- und Hauptspeisen. Er entdeckt eine Lücke auf einer Festbank und steuert darauf zu. Fender erfasst blitzartig, dass neben Eggdorfs avisiertem Platz noch einer frei ist, und schafft es, wie zufällig gleichzeitig dort anzukommen. Er setzt sich neben Eggdorf, wünscht ihm guten Appetit und legt sich einen Vorwand zurecht, respektvoll über Bordmann zu sprechen. Auf diesen Moment hat Hiltinger lange gewartet. Sieben Monate, um genau zu sein. Seit er bei der Siwco mit ihren undurchlässigen Hierarchieebenen angefangen hat, lauert er auf eine Chance, sich einem Mitglied des höheren Kaders von seiner privaten Seite zu zeigen. Dass es sich dabei um eines mit einem offensichtlich guten Draht zu Eggdorf handeln würde, davon hatte er nicht zu träumen gewagt. Hiltinger sitzt an einen Tisch unter seinem Niveau und daher in gebührendem Abstand zu seinen Nachbarn links und rechts. Von weitem sieht er Fender, der offenbar einen Platz sucht, und rutscht unauffällig ein Stück nach links. Erst jetzt realisiert er, dass Fender nicht allein ist, sondern mit – Eggdorf. Er rutscht noch ein Stück und sitzt kurz darauf praktisch in Tuchfühlung mit Fender und – über diesen – mit Eggdorf, dem Mann der angeblich Bordmann duzt. Er wünscht guten Appetit und fügt ein kesses „miteinander hinzu. Dann überlegt er sich, wie er den Mann, der den Mann, der Bordmann duzt, kennt, am schnellsten in ein privates Gespräch verwickelt. Fender will gerade zu Eggdorf bemerken: „Nicht jeder hätte Bordmanns unternehmerischen Weitblick, jetzt in die logistische Infrastruktur zu investieren. Da 1 Deutsch: Lesen Wortschatz Kurzgeschichte sagt der Typ links von Ihm: „Wenn mein Sohn Raul, fünf, all die Lastautos sehen würde: Brrm, brrm! Als der Kerl zu Fenders Linken sagt: „Wenn mein Sohn Raul, fünf, all die Lastautos hier sehen würde: Brrm, brrm!, antwortet er nicht: „Stecken Sie sich Ihren Sohn Raul, fünf, sonstwohin, sich warte seit bald zwei Jahren auf die Gelegenheit, mit dem Herrn zu meiner Rechten ein paar private Worte zu wechseln! Er lächelt verständnisvoll, bevor er sich wieder Eggdorf zuwendet, um sich respektvoll über Bordmann zu äussern. „Das zeugt von Bordmanns unternehmerischer Weitsicht, in diesen Zeiten in die Logistik zu investieren, will er wieder sagen. Aber Eggdorf ist von seiner Sitznachbarin zur Rechten abgelenkt. Vielmehr von ihrem Dekolleté, an welches er seine Worte zu richten scheint. Der Zufall hat es gewollt, dass Fender endlich dem Mann der Bordmann duzt, persönlich näherkommt. Er denkt nicht daran, sich diese Chance von einem Dekolleté versauen zu lassen, und bereitet sich darauf vor, wie ein Handballgoalie in die erste Konversationslücke zu hechten. Hiltinger findet, bis jetzt sei es gut gelaufen. Immerhin sitzt er bei der Einweihung der neuen Logistik-Halle neben einem Mitglied des höheren Kaders (das sich zudem noch in Begleitung von Eggdorf befindet!) und ist drauf und dran, es in ein Gespräch über die Familie zu verwickeln. Er gratuliert sich zum Einfall, über seinen Sohn Raul, fünf, einzusteigen. Fender hat mit einem interessierten Lächeln reagiert. Bloss jetzt nicht die Pause zu lang werden lassen, sonst gerät der Anknüpfungspunkt ausser Reichweite. Das ist Fender inzwischen bereits passiert. Das Gespräch zwischen Eggdorf und dem Dekolleté seiner Sitznachbarin dreht sich jetzt um Tageskindergärten. Ein Thema, in das Fenders Lob der unternehmerischen Weitsicht schlecht einzubetten ist. Er ist gezwungen, sich einen neuen Einstieg zurechtzulegen. Irgend etwas mit „Apropos Tageskindergarten, aber was? Hiltinger fällt auch nichts ein. Aber wenn er jetzt nichts sagt, verpasst er den Anschluss. Er tippt Fender an die Schulter: „Im Dezember wird er sechs. „Wie bitte? fragt Fender. Hiltinger ist sich nicht sicher, ob Fender vergessen hat, um wen es sich handelt, oder ob er daran zweifelt, dass Raul bereits sechs wird. Er zückt die Brieftasche. Im selben Augenblick entsteht im Gespräch zwischen Eggdorf und dem Dekolleté eine Pause. Geistesgegenwärtig sagt Fender: „Apropos Tageskindergarten 2 Deutsch: Lesen Wortschatz Kurzgeschichte „Nein, sagt Hiltinger, „für den Kindergarten ist er noch zu klein, und hält Fender ein Foto von Raul, im Dezember sechs, unter die Nase. Unwirsch stösst Fender die Hand weg. „Ach, ist der herzig! jauchzt Eggdorfs Tischnachbarin und greift sich an Eggdorf und Fender vorbei das Foto. Eggdorf, der vor einer tiefausgeschnittenen alleinerziehenden Mutter nicht als Kinderhasser dastehen will, stimmt in ihren Jubel ein. Den Rest des Anlasses verbringen Eggdorf, Hiltinger und das Dekolleté damit, über Fender hinweg Kinderfotos auszutauschen. (Aus: „Huber spannt aus von Martin Suter) Aufträge: 1. Ersetze die kursiven Wörter (auch hier aufgeführt) im Text durch Synonyme, sodass der Lesefluss nicht gestört wird. Gelegenheit: Number one: Einweihung: entdeckt: avisiertem: undurchlässigen: realisiert: Dekolleté: Konversationslücke: drauf und dran: zurechtzulegen: Brieftasche: Augenblick: 2. Gib der Geschichte einen Titel und begründe diesen. 3 Deutsch: Lesen Wortschatz Kurzgeschichte 3. Erstelle mit deinem Banknachbaren eine Übersicht über die Personen, die in der Geschichte vorkommen, und ihre Absichten. 4. A) Diskutiert zu zweit wie ihr an Fenders Stelle vorgehen würdet? B) Lohnt sich deiner Meinung nach ein solches Vorgehen in der Geschäftswelt? 4