Arbeitsblatt: Die Fabel
Material-Details
Geschichtlicher Überblick
Deutsch
Leseförderung / Literatur
7. Schuljahr
5 Seiten
Statistik
152278
770
8
11.10.2015
Autor/in
Marianne Bürki
Land: Schweiz
Registriert vor 2006
Textauszüge aus dem Inhalt:
Jean de la Fontaine Die Fabel bezeichnet eine in Vers oder Prosa verfasste kurze Erzählung mit belehrender Absicht, in der vor allem Tiere, aber auch Pflanzen und andere Dinge oder fabelhafte Mischwesen, menschliche Eigenschaften besitzen (Personifikation) und entsprechend handeln. Die Dramatik der Fabelhandlung zielt auf eine Schluss pointe hin, an die sich meist eine allgemeingültige Moral (die Lehre) anschließt. Wichtige Fabeldichter waren Aesop (um 600 v. Chr.), Hans Sachs (14941576), Jean de La Fontaine (16211695), Christian Fürchtegott Gellert (17151769), Gotthold Ephraim Lessing (17291781). Geschichte Altertum Fabeln zählen zum volkstümlichen Erzählgut. Bekannt sind die altindische Fabel sammlung Panchatantra, sowie die Fabeln des Arabers Lokman. Als Schöpfer der europäischen Fabel gilt Äsop, dessen Werk über verschiedene Stationen Eingang in das mittelalterliche Europa fand. In der Antike wird die Fabel nicht als literarische Gattung angesehen, sie ist eher den niederen Schichten zugehörig. Die älteste überlieferte Fabel findet sich bei Hesiod (griechischer Dichter, der um ca. 700 v. Chr. gelebt hat). Beispiele für die Verwen dung in der lateinischen Literatur finden sich bei den römischen Dichtern Horaz (Die Fabel von der Stadtmaus und der Landmaus) und Livius (Die Fabel vom Magen und von den Gliedern). Mittelalter und Humanismus Als ältester Fabeldichter in deutscher Sprache kann der mittelhochdeutsche Dichter Der Stricker gelten, dessen Werke ab Mitte des 13. Jahrhunderts definiert werden. Die älteste Fabelsammlung ist wohl Ulrich Boners Edelstein (etwa 1324). Die Fabelliteratur etabliert sich vor allem im Zeitalter des Humanismus, so nutzt auch Luther nach eigener Aussage die Fabel, um im lustigen Lügenkostüm Wahrheiten zu verbreiten, die die Menschen normalerweise nicht hören wollen. Neuzeit Gotthold Ephraim Lessing war einer der grossen deutschen Fabeldichter. Er nutzt die Fabel im Sinne der Aufklärung, wobei er durch geringfügige Änderungen des Inhalts zu neuen Nutzanwendungen gelangt. Der Franzose La Fontaine ersetzt die allzu belehrenden Fabeln und die damit verloren gegangene Einfalt und Natürlichkeit durch geistigen Witz und spielerische Anmut. Charakteristische Merkmale einer Fabel Reineke Fuchs Im Mittelpunkt der Handlung stehen oft Tiere, Pflanzen oder andere Dinge, denen menschliche Eigenschaften zugeordnet sind. Die Tiere handeln, denken und sprechen wie Menschen. Die Fabel will belehren und unterhalten (fabula docet et delectat). Nach Lessing soll die Fabel einen allgemeinen moralischen Satz auf einen besonderen Fall zurückführen und an diesem dann in Form einer Geschichte darstellen. Die Personifikation der Tiere dient dem Autor häufig als Schutz vor Bestrafung o.Ä., denn er übt keine direkte Kritik, etwa an Zeitgenossen. Häufiges Fabelthema, vor allem im Zeitalter der Aufklärung, ist die Ständeordnung und die Kritik an ihr. In der Regel enthalten die Fabeln am Anfang oder aber am Schluss eine Lehre, die den Menschen ein sittliches Verhalten zeigen soll. Jean de la Fontaine diente die Fabel gerne auch dazu, wie oben erwähnt auf Wahrheiten und Missstände in der Gesellschaft aufmerksam zu machen, ohne dafür belangt werden zu können und vor Verfolgung sicher zu sein. Tierfabel Tierfabeln sind Fabeln, in denen Tiere wie Menschen handeln und menschliche Eigenschaften haben. Dabei kommen manche Tiere recht oft vor, wie beispielsweise der Löwe, der Wolf, die Eule, der Fuchs. Diese Tiere haben meist Eigenschaften, die sich in fast allen Fabeln gleichen. Der Fuchs ist dort der Schlaue, Listige, der nur auf seinen Vorteil bedacht ist. Die Eule ist die weise und kluge Person. Die Gans gilt als dumm, der Löwe als mutig, die Schlange als hinterhältig, die Maus als klein. Fabeltiere stellen bestimmte Charakterzüge von Menschen dar. In der Tierfabel wird der personifizierte Charakter des Fabeltieres durch einen charakteristischen Fabelnamen unterstrichen. Tiernamen nach der germanischen Fabeltradition Name Adebar Adelheid Arbnora Äugler Bellyn Bokert Boldewyn Braun Ermelyn Gieremund Grimbart Henning Hinze Hylax Isegrim Kratzefuß Lampe Lupardus Lütke Lynx Markart Meister Lampe Tier Charakter Storch stolz Gans geschwätzig Igel introvertiert Kaninchen vorlaut, frech Widder Biber arbeitswütig Esel störrisch, faul Bär siehe Meister Petz Füchsin listig und schlau böse, dem Bauch Wölfin gehorchend Dachs bedächtig, ruhig Hahn eitel und schlau Kater eigenwillig Hund treu und gutherzig Wolf dem Bauch gehorchend Henne Hase siehe Meister Lampe Leopard Kranich bürokratisch Luchs Häher Hase vorlaut und ängstlich Meister Petz Bär gutmütig Merkenau Metke Murner Nobel Petz Krähe Ziege Katze Löwe Bär Pflückebeutel Rabe Reineke Reinhart Swinegel Fuchs Fuchs Igel Literaturbeispiel Der Tanzbär von Christian Fürchtegott Gellert meckernd schläfrig stolz, mächtig, gefährlich siehe Meister Petz eitel und dumm, Fabel Fuchs und Rabe besserwisserisch, diebisch schlau und hinterlistig siehe Reineke schlau Tybbke Wackerlos Ente dumm Hündchen Jean de La Fontaine Der Rabe und der Fuchs Ein Rabe saß auf einem Baum und hielt im Schnabel einen Käse; den wollte er verzehren. Da kam ein Fuchs daher, der vom Geruch des Käses angelockt war. »Ah, guten Tag, Herr von Rabe!« rief der Fuchs. »Wie wunderbar Sie aussehen! Wenn Ihr Gesang ebenso schön ist wie Ihr Gefieder, dann sind Sie der Schönste von allen hier im Walde!« Das schmeichelte dem Raben, und das Herz schlug ihm vor Freude höher. Um nun auch seine schöne Stimme zu zeigen, machte er den Schnabel weit auf da fiel der Käse hinunter. Der Fuchs schnappte ihn auf und sagte: »Mein guter Mann, nun haben Sie es selbst erfahren: ein Schmeichler lebt auf Kosten dessen, der ihn anhört diese Lehre ist mit einem Käse wohl nicht zu teuer bezahlt.« Der Rabe, bestürzt und beschämt, schwur sich zu, daß man ihn so nicht wieder anführen sollte aber es war ein bißchen zu spät. Der Wolf und das Lamm Der Starke hat immer recht. Das werden wir sogleich sehen. Ein Lamm löschte seinen Durst in einem klaren Bache. Dabei wurde es von einem hungrigen Wolf überrascht. »Wie kannst du es wagen«, rief er wütend, »mir meinen Trank zu trüben? Für diese Frechheit mußt du bestraft werden!« »Ach, mein Herr«, antwortete das Lamm, »seien Sie bitte nicht böse. Ich trinke ja zwanzig Schritte unterhalb von Ihnen. Daher kann ich Ihnen das Wasser gar nicht trüben.« »Du tust es aber doch!« sagte der grausame Wolf. »Und außerdem weiß ich, daß du im vergangenen Jahre schlecht von mir geredet hast.« »Wie soll ich das wohl getan haben«, erwiderte das Lamm, »ich war da ja noch gar nicht geboren.« »Wenn du es nicht tatest, dann tat es dein Bruder!« »Ich habe aber keinen Bruder.« »Dann war es eben irgendein anderer aus deiner Familie. Ihr habt es überhaupt immer auf mich abgesehen, ihr, eure Hirten und eure Hunde. Dafür muß ich mich rächen.« Mit diesen Worten packte der Wolf das Lamm, schleppte es in den Wald und fraß es einfach auf.