Arbeitsblatt: Leben im Konzentrationslager.
Material-Details
Erlebnisberichte von Viktor E. Frankl und Liliana Segre mit Verständnisfragen und Informationen zu
Shoah, Holocaust
Leben im Konzentrationslager
Geschichte
Neuzeit
9. Schuljahr
15 Seiten
Statistik
181408
1237
38
14.07.2018
Autor/in
Michael Gabathuler
Land: Schweiz
Registriert vor 2006
Textauszüge aus dem Inhalt:
Leben im Konzentrationslager – „trotzdem Ja zum Leben sagen Viktor Frankl, ein aus Wien stammender Hirnforscher jüdischen Glaubens, heiratete 1941 Tilly Grosser. Am 25. September 1942 wurden er, seine Frau und seine Eltern ins Ghetto Theresienstadt deportiert. 1943 starb dort sein Vater. Seine Mutter und sein Bruder wurden in den Gaskammern von Auschwitz ermordet. Seine Frau starb im KZ Bergen-Belsen. Frankl wurde am 19. Oktober 1944 von Theresienstadt nach Auschwitz gebracht und einige Tage später in das KZ-Kommando Kaufering III, in der Nähe von Dachau. Am 5. März 1945 wurde er in das Lager Türkheim, ein Außenlager des KZ Dachau, transportiert, aus welchem er am 27. April 1945 von der US-Armee befreit wurde.1 Frankl war Häftling Nr. 119104 und die meiste Zeit als Erdarbeiter und beim Bahnbau als Streckenarbeiter tätig. Durch „tausend und abertausend glückliche Zufälle, wie er selber schrieb, überlebte er die Schoah2. 1945 schrieb er den Bericht „Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager, wo er die Aufnahme ins Lager, das Lagerleben und die Zeit nach der Befreiung aus dem Lager beschreibt. Die Aufnahme ins Lager Die Aufnahme ins Lager erfolgte in der Regel nach einem tagelang dauernden Zugstransport, bei welchem 80 Personen (manchmal auch mehr) und die letzten Reste ihrer Habe in einen Eisenbahnwaggon gepfercht waren. Im Waggon hatten nicht alle einen Platz zum Sitzen. Die Notdurft musste im Wagen verrichtet werden. 1 04.01.2018. Katastrophe, Untergang; im Hebräischen ausschließlich verwendete Bezeichnung für die Massenvernichtung der Juden unter der nationalsozialistischen Herrschaft 2 „Der Zug hält nun anscheinend auf offener Strecke, man weiss noch nicht recht, ob man sich noch in Schlesien oder bereits in Polen befindet. Unheimlich kling das schrille Pfeifen der Lokomotive, gellend wie ein ahnender Hilfeschrei, [] während der Zug, nunmehr sichtlich, vor einer grösseren Station, zu rangieren beginnt.3 „Der Zug rollt langsam weiter, wie zögernd, []. Jetzt sieht man schon mehr: in der fortgeschrittenen Morgendämmerung nimmt man rechts und links von der Strecke kilometerweit bereits die Umrisse eines Lagers von ungeheuren Dimensionen wahr. Endlose mehrfache Stacheldrahtzäunungen, Wachttürme, Scheinwerfer und lange Kolonnen zerlumpter, mit Fetzen umgebener Menschengestalten, grau im Grau der Dämmerung und langsam, müde sich dahinwälzend durch öde, schnurgerade Lagerstrassen – niemand weiss wohin.4 3 Frankl, Viktor E. (2008): trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager. München, 25. 4 Frankl, Viktor E. (2008): trotzdem Ja zum Leben sagen, 25. „Vereinzelte Kommandopfiffe hört man da und dort – niemand weiss wozu. Schon hat der eine oder andre von uns Streckgesichte. Ich z.B. glaubte, ein paar Galgen und an ihnen Aufgehängten zu sehen.5 „Endlich sind wir in die Station eingefahren. Noch rührt sich nichts.6 „Da – Kommandorufe in jener eigentümlichen Art von kreischendem, rauhem Schreien, das wir von nun an immer wieder und in allen Lagern zu hören bekommen sollten []. Da werden die Waggontüren aufgerissen und eine kleine Meute von Häftlingen in der üblichen ge- 5 6 Frankl, Viktor E. (2008): trotzdem Ja zum Leben sagen, 25f. Frankl, Viktor E. (2008): trotzdem Ja zum Leben sagen, 26. streiften Häftlingstracht stürmt herein, kahlgeschoren, aber ausgesprochen gut genährt aussehend; in allen möglichen europäischen Sprachen sprechen sie []. Wir wurden angewiesen, alles Gepäck im Waggon zu lassen, auszusteigen und je eine Männer- und Frauenkolonne zu formieren, um schliesslich vor einem höheren SS-Offizier zu defilieren [ vorbeizumarschieren].7 7 Frankl, Viktor E. (2008): trotzdem Ja zum Leben sagen, 26 und 28 „In nonchalanter8 Haltung steht er da, den rechten Ellbogen mit der linken Hand stützend, die recht Hand erhoben und mit dem Zeigefinger dieser Hand ganz sparsam eine kleine winkende Bewegung vollführend – bald nach links, bald nach rechts, weit öfter nach links9 „Ab Abend wussten wir um die Bedeutung dieses Spiels mit dem Zeigefinger: es war die erste Selektion! Die erste Entscheidung über Sein oder Nichtsein; für die gewaltige [Mehrheit] unseres Transports, etwa 90% [von ursprünglich 1500 Personen], war es das Todesurteil. Es wurde in den nächsten Stunden vollstreckt. Wer nach links (von uns aus gesehen) geschickt wurde, marschierte von der Bahnhofsrampe weg direkt zu einem der Krematoriumsgebäuden, [].10 8 Nonchalant lässig, ungezwungen, cool Frankl, Viktro E. (2008): trotzdem Ja zum Leben sagen, 29. 10 Frankl, Viktor E. (2008, 1977): trotzdem Ja zum Leben sagen, 29f. 9 Dort wurden die Menschen, welche die erste Selektion nicht überstanden hatten, vergast und eingeäschert. Die anderen kamen ins Desinfektionsbad. Dort erschien SS mit Decken, in die alle persönlichen noch vorhandenen Dinge wie Schmuck, Esswaren und Uhren hineingetan werden mussten. Wer etwas behalten wollte, wurde ausgelacht, angeschrien und/oder geschlagen. Unter „Püffen und im Laufschritt wurden die gefangenen in den Badevorraum hineingetrieben. Dort bekamen sie zwei Minuten Zeit, um sich auszuziehen und alle Kleidungsstücke, bis auf die Schuhe, eine Brille sowie den Gürtel, die Hosenträger oder Ähnliches liegenzulassen (und selbst diese Dinge wurden den Gefangenen später teilweise noch abgenommen). „In undenkbarer Hast reissen sich unsere Leute, was sie an sich haben vom Leibe; je näher das Ende der Frist herannaht, um so nervöser und hilfloser zerren sie an Kleidungs- und Wäschestücken, Bändern und Riemen usw. usw. Schon hört man die ersten klatschenden Geräusche. Ochsenziemer prasseln Schläge auf nackte Leiber, beschrieb Frankl die Situation. „Dann werden wir in einen andern Raum getrieben. Dort werden wir geschoren; nicht nur am Schädel: kein Haar bleibt am ganzen Körper. Dann werden wir in den Brauseraum getrieben. Wir nehmen Aufstellung. Wir erkennen einander kaum mehr wieder. Aber erfreut und hochbeglückt stellen einzelne fest, dass aus den Brausetrichtern wirklich [Wasser strömt und kein Gas]. 11 11 Frankl, Viktor E. (2008): trotzdem Ja zum Leben sagen, 30 – 33. Nach dem Duschen mussten die Gefangenen „splitternackt und noch nass von der Brause im Freien stehenbleiben bevor sie ein Hemd ausgeteilt bekamen und einer Baracke zugewiesen wurden.12 Die Gefangenen erkannten spätestens jetzt, dass sie einen Strich unter ihr gesamtes bisheriges Leben machen mussten und ihnen nichts mehr als ihre blosse Existenz geblieben war. Sie mussten fortan körperlich äusserst hart arbeiten und unter Bedingungen leben, die selbst eines Tieres nicht würdig waren. Die Neuankömmlinge gerieten gemäss Frankl in einen Schockzustand, der allerdings nicht nur von Angst, Abscheu, Ekel, Sehnsucht, Selbstmordgedanken und tatsächlich durchgeführten Selbsttötungen geprägt war, sondern auch von Galgenhumor, Neugier und Überraschung. Neugier auf das, was alles noch auf sie zukommen wird und ob sie mit dem Leben davonkommen werden und Überraschung darüber, was der Mensch in prekären Lebenssituationen alles auszuhalten vermag.13 12 13 Vgl. Frankl, Viktor E. (2008): trotzdem Ja zum Leben sagen, 35 Vgl. Frankl. Viktor E. (2008): trotzdem Ja zum Leben sagen, 34 – 40. Leben im KZ Im KZ leben bedeutete eine auch im Winter ungeheizte Baracke bewohnen, sich einen Schlafplatz von 2 2.5 und zwei Decken mit acht weiteren Personen teilen, immer nur aneinander gedrängt und ineinander gezwängt in Seitenlage liegen können, kein Kopfkissen haben und den „nach oben fast verrenkten Arm oder seine Schuhe (teilweise Kotverdreckte) als Kopfkissen benutzen, chronisch zu wenig Schlaf bekommen, sich nie die Zähne putzen können, sich teilweise tagelang nicht waschen können, ein halbes Jahr lang das gleiche Hemd tragen, keine oder schlechte Schuhe anhaben, im Morast und/oder im Schnee gehen – mit oder ohne Schuhe, Erfrierungen am Körper und/oder Hungerödeme aushalten, Fleckfieber und andere Krankheiten ertragen, stundenlang, tagelang, wochenlang körperlich unendlich hart arbeiten, permanent der Willkür der Aufseher ausgesetzt sein und in ständiger Lebensgefahr leben. Nur schon eine kleine Verletzung, beispielsweise ein Hinken wegen einer Druckstelle im Schuh, konnte das Todesurteil bedeuten. Die Gefangenen wurden Misshandelt. Stundenlanges Stehen oder „im Dreck auf und nieder müssen waren keine Seltenheit, Fusstritte und Schläge mit Stock, Händen, Fäusten oder Gewehrkolben an der Tagesordnung. Schläge bekam man im Lager aus den nichtigsten Gründen – oder auch überhaupt ohne Grund. Die Prügelstrafe in einem deutschen Konzentrationslager. Zeichnung von Georg Tauber (von 1940 bis 1945 im KZ Dachau) 1945. Foto 2010 Birk Karsten Ecke – Gedenkstätte Konzentrationslager Dachau. Hohn und Spott waren ständige Begleiter der Gefangenen. 14 Ein ständiger Begleiter war auch der Hunger. Permanent gab es zu wenig zu essen. Frankl schrieb darüber folgendes: „In der letzten Zeit bestand die tägliche Nahrung aus einer einmal im Tag verabreichten, recht wässerigen Suppe und der angeführten kleinen Brotration [theoretisch 300 g; praktisch weniger, Anm. M.G.];. dazu kam die sogenannte Zubusse, bestehend entweder aus 20 Margarine oder einer Scheibe minderwertiger Wurst oder einem kleinen Stückchen Käse oder Kunsthonig oder einem Löffel flüssiger Marmelade usf., täglich wechselnd. Kalorienmässig eine absolut unzureichende Ernährung, erst recht in Anbetracht der schweren körperlichen Arbeit, des Ausgesetztseins gegenüber dem Frost, noch dazu in höchst mangelhafter Kleidung. Kranke, die in []der Baracke liegenbleiben durften und nicht zur Aussenarbeit das Lager verlassen mussten, waren noch schlechter dran.15 Ob all der Qualen begannen die Gefangenen gemäss Frankl abzustumpfen. Während die Häftlinge anfangs den Anblick sadistisch gequälter Menschen nicht ertragen konnten, ging es ihnen Tage oder Wochen später schon anders: „Frühmorgens, schrieb Frankl, „noch im Dunkeln, steht [der Gefangene] in seiner Arbeitskolonne abmarschbereit auf einer der Lagerstrassen, vor dem Lagertor; da hört er Geschrei, blickt hin und sieht mit an, wie ein Kamerad immer wieder zu Boden geboxt, wieder aufgehoben und wieder niedergeboxt wird – warum? Weil er fiebert, aber erst seit der Nacht, und so nicht rechtzeitig (in der Ambulanz) die Fieberhöhe kontrollieren lassen und sich krankmelden konnte. Jetzt wird er dafür bestraft, dass er den aussichtslosen Versuch unternommen hat, am Morgen krankgeschrieben zu werden, um nicht zur Aussenarbeit hinausmarschieren zu müssen. Der beobachtende Häftling aber, [] schaut nicht mehr weg. Gleichgültig, bereits abgestumpft, kann er ruhig hinsehen. Oder: wenn er selber abends in der Ambulanz gedrängt dasteht, [] dann wir er auch ruhig zusehen, wen da einmal ein zwölfjähriger Junge hereingetragen wird, für den es im Lager keine 14 Vgl. Frankl. Viktor E. (2008): trotzdem Ja zum Leben sagen, 36 – 52 Frankl, Viktor E. (2008, 1977): trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein Pychologe erlebt das Konzentrationslager. München, 54f. 15 Schuhe mehr gab und der dadurch gezwungen war, mit blossen Füssen im Schnee stundenlang Appell zu stehen und tagsüber Aussenarbeit zu leisten; jetzt sind seine Zehen abgefroren, und der Ambulanzarzt zupft die abgestorbenen schwärzlichen Zehenglieder mit der Pinzette von den Gelenken. Ekel, Grauen, Mitleid, Empörung, das alles hat unser Zuseher in diesem Augenblick eigentlich nicht mehr zu empfinden vermocht. Leidende, Kranke, Sterbende, Tote – all dies ist ein so geläufiger Anblick nach einigen Wochen Lagerleben, dass es nicht mehr rühren kann. [] Die Apathie, die Abstumpfung des Gemüts, die innere Wurstigkeit und das Gleichgültigwerden [] machen ihn bald auch unempfindlich gegen das tägliche und stündliche Geschlagenwerden.16 Zu dieser innerlichen Abgestumpftheit gesellte sich auch „Gereiztheit – ausgelöst durch Hunger, Schlafmangel, Koffein- und/oder Nikotinmangel, psychischer und körperlicher Belastung usw. Diese Gereiztheit konnte zu Handgreiflichkeiten unter den Gefangenen führen.17 Im Lager herrschte ein harter gegenseitiger Kampf ums Überleben. „Unter den Lagerinsassen, die sich viele, viele Jahre in Lagern aufhielten, von einem Lager in das andere und schliesslich insgesamt in Dutzende von Lagern gebracht wurden, konnten sich im Durchschnitt nur jene am Leben erhalten, die in diesem Kampf um die Lebenserhaltung skrupellos waren und auch vor Gewalttätigkeit, ja sogar nicht einmal vor Kameradschaftsdiebstahl zurückschreckten, hielt Frankl fest.18 „Nehmen wir etwa an, es steht ein Transport bevor, der eine bestimmte Zahl von Lagerinsassen in ein anderes Lager bringen soll – angeblich; denn man vermutet, und nicht mit Unrecht, dass es ‚ins Gas geht‘, dass der betreffende Transport, sagen wir: von kranken oder schwachen Leuten [] eine Auswahl von arbeitsunfähigen Häftlingen [darstellt], die zur Vernichtung in einem mit Gaskammern und Krematorium ausgestatteten, grossen, zentralen Lager bestimmt sind. In diesem Augenblick entbrennt nun der Kampf aller gegen alle, bzw. gewisser Gruppen oder Cliquen untereinander. Jeder sucht sich oder die ihm irgendwie Nahestehenden zu schützen, vor dem Transport zu sichern, bzw. aus der Transportliste im letzten Augenblick noch ‚herauszureklamieren‘. Dass für jeden einzelnen, der hierbei davor gerettet wird, vertilgt zu werden, ein anderer einspringen muss, ist allen klar.19 „Eine Zeitlang lag ich in einer Fleckfieberbaracke, schrieb Frankl weiter. „Wieder ist einer gerade gestorben. Was geschieht, zum x-ten Male – zum x-ten Male eben, ohne eine Gefühlsreaktion noch auslösen zu können? Ich sehe zu, wie sich ein Kamerad nach dem andern an die noch warme Leiche heranmacht; der eine ergattert die übriggebliebenen verdreckten Kartoffeln vom 16 Frankl. Viktor E. (2008): trotzdem Ja zum Leben sagen, 42f, 45 Vgl. Frankl. Viktor E. (2008): trotzdem Ja zum Leben sagen, 102 – 106. 18 Vgl. Frankl. Viktor E. (2008): trotzdem Ja zum Leben sagen, 18f. 19 Frankl, Viktor E. (2008): trotzdem Ja zum Leben sagen, 17. 17 Mittagessen, der andere hat festgestellt, dass die Holzschuhe an der Leiche noch etwas besser sind als die, welche er selber trägt, und tauscht die Paare aus; ein dritter unternimmt das gleiche mit dem Rock des Toten, []. Teilnahmslos sehe ich dem zu.20 Trotz Apathie und Gereiztheit gab es aber auch Einzelne, die durch Mut, Tapferkeit, Würde, Selbstlosigkeit, Mitgefühl und/oder Hilfsbereitschaft aufgefallen waren. Menschen, die auch in den schlimmsten Situationen nicht nur an sich selbst dachten und hier ein gutes Wort und dort den letzten Bissen Brot spendeten. Sie waren der Beweis dafür, „dass man dem Menschen im Konzentrationslager alles nehmen kann, nur nicht: die letzte menschliche Freiheit, sich zu den gegebenen Verhältnissen [den äusserlich erzwungenen Einschränkungen] so oder so einzustellen und so oder so darauf zu reagieren, schrieb Frankl.21 Das Abtauchen in eine Gedankenwelt, Humor freilich nur für Sekunden oder Minuten, positives Denken – gerade auch in den schwersten Momenten, Gebete, Gespräche mit Mithäftlingen usw. halfen gemäss Frankl, den Schrecken etwas erträglicher zu machen – und Kunst. Kunst im KZ? Ja, weiss Frankl zu berichten. „Je nachdem freilich, was man Kunst nennt. Immerhin, so berichtet er, „gab es [von Zeit zu Zeit] auch improvisierte Kabarettveranstaltungen. Eine Baracke wird vorübergehend geräumt, ein paar Holzbänke werden zusammengeschleppt oder zurechtgezimmert und ein ‚Programm‘ zusammengestellt. Und am Abend kommen die, die es im Lager verhältnismässig gut getroffen haben, z.B. die Capos [ jüdischer Gefangener, die andere Häftlinge beaufsichtigen mussten] oder Lagerarbeiter, die nicht zu Aussenkommandos hinausmarschieren müssen; sie kommen, um ein wenig zu lachen oder zu weinen, auf jeden Fall: ein wenig zu vergessen. Ein paar Lieder, die gesungen werden, ein paar Gedichte, die aufgesagt werden, ein paar Spässe, die gemacht werden, auch mit satirischer Tendenz in bezug auf das Lagerleben, dies alles soll vergessen helfen. Und es hilft! Es hilft sogar so sehr, dass die vereinzelten nichtprominenten, gewöhnlichen Lagerhäftlinge, die sich trotz des Tages Mühen ins Lagerkabarett begeben, es in Kauf nehmen, dass sie dadurch die Suppenausteilung versäumen. 22 Und wie konnte der ganze Schrecken überlebt werden? Man musste sich in den entscheidenden Momenten unauffällig verhalten und versuchen, dem Schicksal seinen Lauf zu lassen. Es galt dem Leiden einen Sinn zu geben, Ziele zu haben und an seine Zukunft zu glauben. „Wer an eine, wer an seine Zukunft nicht mehr zu glauben vermag, ist [] im Lager ver- 20 Frank. Viktor E. (2008): trotzdem Ja zum Leben sagen, 43. Vgl. Frankl, Viktor E. (2008): trotzdem Ja zum Leben sagen, 108ff. 22 Frankl, Viktor E. (2008): trotzdem ja zum Leben sagen, 71. 21 loren, schrieb Frankl. „Mit der Zukunft verliert er den geistigen Halt, lässt sich innerlich fallen und verfällt sowohl körperlich als auch seelisch.23 Wie es scheint, blieb Viktor E. Frankl dieser Verfall weitgehend erspart. Bildquellen: www.history.com/topics/world-war-ii/the-holocaust/pictures/holocaust-concentration-camps/, 04.01.2018 04.01.2018. 04.01.2018. 04.01.2018. 04.01.2018. 04.01.2018. 04.01.2018. 04.01.2018. 04.01.2018. Aufgaben Halte stichwortartig fest: Was ist ein Konzentrationslager? Wie sieht es aus? Wie viele Menschen überstanden bei Frankls Ankunft im KZ Auschwitz die erste Selektion nicht? Welche Lebensbedingungen herrschen in einem KZ? 23 Frankl, Viktor E. (2008): trotzdem Ja zum Leben sagen, 121. Worauf muss man beim Lesen von (Quellen-) Texten achten? Betrachte folgende Filmsequenz Was passierte während des Zweiten Weltkriegs in Auschwitz und anderen Konzentrationslagern? Im Zusammenhang mit Auschwitz wird immer wieder von „Holocaust geredet. Weisst du, was das bedeutet? Erkundige dich im Internet und suche nach verschiedenen Definitionen. „URHEBER IST HITLER. NIE HAT ER AUS SEINEM WAHN EINEN HEHL GEMACHT, heisst es im Filmbeitrag. Was bedeutet das? Was machte man mit den Menschen, nachdem sie umgebracht worden waren? Schau den Filmbeitrag über die Jüdin Liliana Segre an, die 1943 von Schweizer Grenzern abgewiesen und 1944 mit ihrem Vater von Mailand nach Auschwitz deportiert worden war. Mit welchem Argument wurde Liliana Segre und ihr Vater von den Schweizer Behörden abgewiesen? Welche Überlebensstrategien hatten Gefangene wie Segre oder Frankl? Was berichten Segre und Frankl über Freundschaften? Was sind Selektionen und wie liefen sie ab? Mit welchen Strategien versuchten Gefangene wie Frankl oder Segre den Schrecken erträglicher zu machen? Gefangene waren teilweise gezwungen mehrmals die Lager zu wechseln, so auch Frankl. Suche die Stationen seines Lebens von 1942 – 1945 auf der Karte und zeichne die zurückgelegten Wege ein Fazit: Was war neu für dich? Was hat dich bewegt, was erstaunt?