Arbeitsblatt: Napoleon Dossier
Material-Details
Ein umfassendes Dossier, das nahtlos an das dramatische Ende der Französischen Revolution anknüpft und die epochalen Stationen Napoleons in militärischen, politischen und persönlichen Dimensionen mit Tiefgang beleuchtet.
Dieses Lehrmittel ist ideal für eine ambitionierte zweite Sekundarklasse zugeschnitten und verspricht, die Schüler auf eine eindrucksvolle Reise durch die turbulente Ära Napoleons mitzunehmen.
Mit eingehenden mündlichen Erläuterungen angereichert, öffnet es jedoch auch den Horizont für schwächere Klassen und verleiht ihnen Einblicke in eine der prägendsten Gestalten der europäischen Geschichte.
Geschichte
Neuzeit
8. Schuljahr
47 Seiten
Statistik
189718
2358
107
26.09.2024
Autor/in
Régis Ecklin
Land: Schweiz
Registriert vor 2006
Textauszüge aus dem Inhalt:
Napoleon Name: Klasse: Régis Ecklin Dossierführung • • • • Das Dossier wird sauber geführt, Kontrollen sind jederzeit möglich. Erst endgültige Antworten werden mit Kugelschreiber oder Füllfeder notiert, Erstantworten sind mit Bleistift aufzuschreiben. Die Texte können nach Belieben unterstrichen, markiert oder mit Untertiteln, Erklärungen oder sonstigen Notizen versehen werden. Das Dossier wird stets in einer Mappe transportiert. Lernziele 1) Ich kann folgende Begriffe in eigenen Worten erklären: Direktorialverfassung, Direktorium, Republik, Monarchie, Legislative, Exekutive, Judikative, Code Napoléon, Infanterie, Artillerie, Kavallerie, Annexion, Föderalismus, souverän, Frondienst und Neutralität. 2) Ich kann erklären, wer aus welchen Gründen mit dem Direktorium unzufrieden war. 3) Ich kann Napoleons politische (1799-1804 erster Konsul, 1804-1814 Kaiser der Franzosen) und militärische Funktionen (Artillerist und General der französischen Armee) in eigenen Worten zusammenfassen. 4) Ich kann drei Errungenschaften der Französischen Revolution nennen, die Napoleon trotz seiner Herrschaft als faktischer Diktator beibehalten hat. 5) Ich kann erklären, wieso die umliegenden Länder Napoleon als Gefahr sahen. 6) Ich kenne die Vor- und Nachteile von Napoleons Herrschaft für die Franzosen. 7) Ich weiss, wo und wann sich Napoleon zum Kaiser krönte. 8) Ich kann Napoleons Russlandfeldzug in eigenen Worten zusammenfassen. 9) Ich weiss, gegen wen Napoleon seine letzte Schlacht verloren hat und was danach mit ihm passiert ist. 10) Ich kenne die verschiedenen Staatsformen der Schweiz von 1291 bis heute. (1291-1798: Alte Eidgenossenschaft, 1798-1803: Helvetische Republik, 1803-1813: Mediation, 1815heute: Schweizerische Eidgenossenschaft) 11) Ich kann die Ziele des Wiener Kongresses (Restauration, Legitimität und Solidarität) in eigenen Worten zusammenfassen. Geschichte R.Ecklin Das Ende der Französischen Revolution Zustände in Frankreich Seit 1795 war in Frankreich die Direktorialverfassung in Kraft. Frankreich war eine Republik mit Gewaltentrennung, die von einem fünfköpfigen Direktorium regiert wurde. Doch nun begehrten die Anhänger der Monarchie wieder auf und forderten die Rückkehr eiFrankreichs nach der Verfassung nes Königs. Sie nannten sich Royalisten und setzten Der Staatsaufbau von 1795 (Direktorium) sich hauptsächlich aus Mitgliedern des Klerus und des Adels und konservativen Bürgern zusammen. Sie sehnten sich nach alten Privilegien wie Steuerbefreiung, Landbesitz und exklusiven Zugang zu politischen und gesellschaftlichen Ämtern zurück. Auch die Jakobiner und Sansculotten waren unzufrieden. Sie forderten Unterstützung für die Armen, Wahlrecht für alle Einkommensschichten und gleich hohe Steuern für die ersten zwei Stände wie für den dritten. Das Direktorium war also von mehreren Seiten unter Beschuss und deshalb akut gefährdet. Auch im Rest der Bevölkerung hatte das Direktorium aufgrund von Korruption und schlechter Wirtschaftslage wenig Rückhalt. Zudem verhängte die Regierung zahlreiche Todesurteile und Deportationen und stützte sich auf das Militär, um Aufstände niederzuschlagen und an der Macht zu bleiben. Napoleon Napoleon Bonaparte kam 1769 auf der Mittelmeerinsel Korsika zur Welt. Korsika hatte bis wenige Monate vor seiner Geburt zu Italien gehört und war 1769 unter französische Herrschaft geraten, was für Napoleons Laufbahn von grosser Tragweite sein sollte. Napoleons Eltern schickten ihn mit 9 Jahren auf das Festland auf die Kadettenschule von Brienne. Seine schulischen Leistungen waren durchzogen; sein Latein blieb bis zu seinem Abschluss so schlecht, dass er darin gar nicht erst geprüft wurde. Seine Orthographie im Französischen war mangelhaft. Ein besonderes Talent entwickelte er jedoch in der Mathematik. Er interessierte sich zudem für die grossen Helden der Geschichte wie Alexander den Grossen und Julius Caesar. Jacques-Louis David: Napoleon im Arbeitszimmer (1812) Napoleon Nach den problemlos bestandenen Prüfungen prädestinierten ihn seine mathematischen und organisatorischen 1 Geschichte R.Ecklin Kenntnisse für die Artillerie. Die Artillerie ist die Truppengattung mit schwerem Geschütz, beispielsweise Kanonen und Haubitzen, und gilt als kognitiv sehr anspruchsvolle Truppengattung. 1784 wurde er in der École royale militaire in Paris, der renommiertesten Militärschule des Landes, aufgenommen. Als am 24. Februar 1785 sein Vater an Magenkrebs starb, übernahm Napoleon die Rolle des Familienoberhauptes. Im selben Jahr konnte Napoleon seine Ausbildung aufgrund seiner guten Leistungen vorzeitig beenden und wurde bereits mit 16 Jahren Offizier in der französischen Armee. In den folgenden Jahren stieg er militärisch immer weiter auf. 1789 knüpfte er Kontakte zu Robespierre und unterstützte die Revolution, indem er sich öffentlich für die republikanischen Ideale aussprach und revolutionäre Führer militärisch unterstützte. 1795 schlug er einen Aufstand von Königstreuen mit seinem Artilleriefeuer nieder und wurde Oberbefehlshaber der Armee im Inneren. Zwischen 1796 und 1797 folgte der Feldzug gegen Italien, der Frankreich wertvolle Territorien und Einfluss in Italien und Napoleon hohes Ansehen in der Bevölkerung und in der Armee verschafften. Der Ägyptenfeldzug ab 1798, der zum Ziel hatte, den britischen Einfluss zu unterminieren, endete zwar in militärischen Rückschlägen, stärkte jedoch paradoxerweise seine politische Stellung in Frankreich, da Napoleon als starker und entschlossener Führer wahrgenommen wurde, was ihm die Grundlage für seinen späteren Propagandistische Darstellung von Napoleon in Kairo. Die Pyramiden waAufstieg zum «Ersten Konsul» bot. ren tatsächlich mehrere Kilometer entfernt von Schlachtfeld. Im Gegensatz Machtübernahme zu seinem Vorbild Alexander dem Grossen schaffte es Napoleon nicht, Ägypten dauerhaft einzunehmen. Unterdessen hatte sich die Situation in Frankreich nicht gebessert: Die Bevölkerung hungerte noch, hatte kaum Arbeit, litt unter der bestechlichen Verwaltung und lebte unter einer Schreckensherrschaft. 1799 starteten die Royalisten Aufstände, die sich gegen das Direktorium richteten und einen Bürgerkrieg auslösten. Dieser wurde auch dadurch ermöglicht, dass die Jakobiner ebenfalls revoltierten. Napoleon, der die Gefolgschaft der Armee besass, schlug auch diesen Aufstand nieder. Daraufhin besetzte Napoleon zusammen mit zwei Direktoren, die er kurz darauf ausschaltete, das Regierungsgebäude mit Truppen. Das Direktorium und die beiden Kammern wurden aufgelöst. Nun regierte Napoleon als «Erster Konsul» über Frankreich und erliess eine Verfassung, in der seine Alleinherrschaft verankert war. Das Volk leistete keinen Widerstand, da man nun froh war, dass wieder eine feste Ordnung geschaffen worden war. Auch dass Napoleon autoritär herrschte, wurde in Kauf genommen. Die Revolution war beendet. Napoleon übernahm eine Republik, die es nicht geschafft hatte, aus seiner Krise zu finden. Napoleon 2 Geschichte R.Ecklin Geringschätzung der Republik Ein vertrauliches Gespräch mit dem Diplomaten André Miot de Mélito 1797 offenbart, dass Napoleon nie etwas von der Republik gehalten hatte, sondern andere Pläne schmiedete: «Glauben Sie, dass ich in Italien Siege erfechte, um damit das Ansehen der Männer des Direktoriums zu erhöhen []? Glauben sie vielleicht, dass ich eine Republik begründen will? Welcher Gedanke! [] Das ist eine Wahnvorstellung, in die die Franzosen vernarrt sind. Was sie brauchen, das ist Ruhm, die Befriedigung ihrer Eitelkeit. Von der Freiheit verstehen sie nichts. Blicken Sie auf die Armee. Die Erfolge und die Triumphe, die wir soeben davongetragen haben, die haben dem französischen Soldaten seinen wahren Charakter wiederverschafft. Für ihn bin ich alles. Das Direktorium soll sich nur einfallen lassen, mir das Kommando über die Armee wegzunehmen, dann würde man schon sehen, wer der Herr ist. Die Nation braucht einen Führer, aber keine Theorien über Regierung, keine grossen Worte [] Mein Entschluss ist gefasst; wenn ich nicht Herr sein kann, werde ich Frankreich verlassen.» Was blieb von der Revolution? Obwohl Napoleon wie ein Diktator regierte und sich somit in vielen Punkten kaum vom gestürzten Ludwig XVI. unterschied, behielt er einige grundlegende Änderungen, die die Französische Revolution herbeigeführt hatte, bei: à à à à à à Das Feudalsystem (Herrschaft der Adeligen über die Bauern) blieb abgeschafft. Die Berufsfreiheit blieb gewährt. Religionsfreiheit blieb gewährt. Das Recht auf Eigentum blieb bestehen. Kirche und Staat blieben getrennt. Vor dem Gesetz waren alle Menschen gleich. Napoleon 3 Geschichte R.Ecklin Das Ende der Französischen Revolution 1. Was symbolisieren die markierten Elemente auf dem Gemälde von Jacques-Louis David? a) Napoleons Zeigefinger und die Hufen des Pferdes: b) Napoleons Umhang: c) Die eingravierten Namen: Hannibal, Karolus Magnus (Karl der Grosse) und Bonaparte: Jacques-Louis David: Napoleon beim Übergang über den Grossen St. Bernhard (1801) Napoleon 4 Geschichte R.Ecklin 2. Durch wen wurde das Direktorium 1795 gewählt? 3. Wer war mit dem System der Direktorialverfassung unzufrieden und weshalb? 4. Inwiefern herrschte Napoleon ähnlich wie Ludwig XVI.? Napoleonpose Die Hand in der Weste ist eine populäre Geste, die sich auf vielen Gemälden von Staatsmännern und bedeutenden Persönlichkeiten des 18. und 19. Jahrhunderts findet. Sie wird heute vor allem mit Napoleon Bonaparte assoziiert. Seit der Antike galt die Geste als Zeichen guter Manieren. Es galt als unhöflich, mit gestikulierenden Händen zu sprechen. Durch Napoleon wurde die Geste zu einem politischen Symbol eines Herrschers als kontrolliert und besonnen, in Abgrenzung zur Darstellung früherer absolutistischer Herrscher mit leicht gespreizten Armen. Eine weitere Theorie besagt, dass Napoleon seine Hand auf diese Weise positionierte, um sein Magenleiden zu lindern, für das er bekannt war. Ebenfalls denkbar, aber nicht belegt, ist, dass Napoleon versucht haben könnte, einen schmerzhaften Tumor oder eine andere Beschwerde zu wärmen oder zu verbergen. Napoleon 5 Geschichte R.Ecklin Napoleons Herrschaft Die Krönung Napoleon herrschte alleine. 1799-1804 hatte er als «erster Konsul» regiert. 1804 krönte sich Napoleon in der gotischen Kathedrale Notre-Dame de Paris selbst zum «Empereur des Français», zum Kaiser der Franzosen. Die Kaiserwürde wurde normalerweise vom Papst verliehen, aber Napoleon krönte sich selbst, um zu demonstrieren, dass der Papst (und somit die ganze Kirche) nicht über ihm stand. Napoleon war zudem Verfechter der Trennung zwischen Staat und Religion und die Krönung durch den obersten Vertreter der Kirche hätte diesem Prinzip widersprochen. Die Krönung änderte nichts an Napoleons Macht, sie war aber eine Rangerhöhung. Das Notre-Dame de Paris (Erbauung 1163 bis 1345) Einfluss auf umliegende Länder Neue Kriege wurden entfacht. Grossbritannien, Österreich und Russland fanden sich nicht damit ab, dass Frankreich so mächtig geworden war. Sie fürchteten auch, dass sich durch Napoleon die Ideen der Revolution (Absetzung des Königs, Abschaffung der Feudalrechte, Gleichheit vor dem Gesetz, Redefreiheit) weiterverbreiten würden. Tatsächlich liessen sich viele Menschen in ganz Europa von den Idealen der Französischen Revolution begeistern. Sie verfassten, verteilten oder lasen dazu zahllose Druckschriften. Überall gründeten sie literarische Clubs, wo sie die neuen Ideale diskutierten. Die adligen Machthaber versuchten, diese Bewegung zu unterdrücken. Zahlreiche Menschen mussten vor Verfolgung fliehen. Für eine rasche Verbreitung der revolutionären Ideen sorgten aber auch die französischen Truppen, die unter dem Befehl Napoleons weite Teile Europas unterwarfen. Innerhalb weniger Jahre schuf der französische Kaiser eine ganze Reihe abhängiger Staaten und sogenannter Tochterrepubliken. Napoleon war nämlich auf Erfolge angewiesen, wenn er die Macht über Frankreich behalten wollte, denn erfolglose Generäle regieren selten lang. Kriege Auf dem Festland war Napoleon so erfolgreich wie kaum ein Herrscher vor ihm. Österreich und Russland (die Aliierten) erlitten 1805 bei der «Dreikaiserschlacht» in Austerlitz im heutigen Tschechien eine schwere Niederlage. Napoleons Armee war zahlenmässig unterlegen, also täuschte er zusätzlich Schwäche vor, indem er eine wichtige Position, die Pratzenhöhen, absichtlich ungeschützt liess. Die Alliierten glaubten, sie hätten einen Vorteil, und versuchten, diese Höhen zu erobern. Am Morgen der Napoleon 6 Geschichte R.Ecklin Schlacht griffen sie die Pratzenhöhen an und verliessen dabei ihre sicheren Positionen. Napoleon hatte diesen Moment genau vorbereitet. Sobald die Alliierten ihre Truppen aufgeteilt hatten, um die Höhen zu besetzen, startete er einen konzentrierten Gegenangriff mit seinen Reservetruppen. Dieser Angriff überraschte die Alliierten und spaltete ihre Kräfte auf. In der daraus resultierenden Verwirrung führte Napoleon eine Umfassungsbewegung durch, die es ihm ermöglichte, die alliierten Truppen zu umzingeln. Dies führte zu einer vernichtenden Niederlage für Österreich und Russland. Dieser Sieg gilt als eines der grössten Meisterwerke der Militärstrategie und festigte Napoleons Macht in Europa erheblich. Die Schlacht bei Austerlitz führte zu einem vernichtenden Sieg Napoleons über die russisch-österreichische Allianz und einer erheblichen Stärkung Napoleons Macht in Europa. 1806 erzielte Napoleon Bonaparte einen entscheidenden Sieg gegen Preussen, wodurch Preussen schwer geschwächt wurde. In den darauffolgenden Jahren erweiterte er seinen Einfluss erheblich: Deutschland, Italien und Spanien gerieten unter französische Kontrolle. Nach diesen Erfolgen auf dem Kontinent erlitt die französische Flotte eine verheerende Niederlage gegen die britische Flotte. Diese Niederlage zerstörte Napoleons Pläne, Grossbritannien direkt über den Ärmelkanal anzugreifen, da die britische Marine nun die absolute Kontrolle über die Seewege hatte. Somit war Napoleon der unangefochtene Herrscher über den europäischen Kontinent, während Grossbritannien dank seiner starken Marine die Meere dominierte. Widerstand In den eroberten und von Frankreich abhängigen Staaten regte sich Widerstand gegen die Franzosen. Vielerorts traten sie nämlich als Besatzer auf, die sich kaum besser benahmen als die alten Machthaber. Napoleons Armee kämpfte nicht gegen die Herrscher der jeweiligen Länder, sondern gegen ihre Völker. Die neue Abhängigkeit dieser Staaten von Frankreich stand im Widerspruch zur Freiheit, die die Französische Revolution versprach. Vorteile für die Bürger Für die Franzosen hatte Napoleons Herrschaft manche Vorteile. Die besiegten Länder mussten riesige Zahlungen leisten. Mit diesem Geld füllte Napoleon die Staatskasse und bezahlte die Staatsschulden. Die Wirtschaft erholte sich allmählich und immer mehr Menschen hatten Ar- Napoleon 7 Geschichte R.Ecklin beit und Essen. An die Stelle des wertlosen Papiergeldes der Revolutionszeit trat eine wertbeständige Silbermünze, der Franc. Unter Napoleon trat ein Gesetzbuch in Kraft, das gleiches Recht für alle Bürger schuf, der «Code Civil», auch «Code Napoléon» genannt. Das Gerichtswesen wurde so geordnet, dass jeder die gleichen Chancen hatte. Napoleon vereinheitlichte die Masse und Gewichte, indem er überall das Dezimalsystem einführte. Nachteile für die Bürger Napoleons Alleinherrschaft brachte aber auch Nachteile für die Bevölkerung: Napoleon regierte gestützt auf Armee, Beamte und Polizei. Dauernd führte Frankreich irgendwo Krieg. Auch wenn diese Kriege für Frankreich siegreich verliefen, forderten sie doch von den Franzosen viele Opfer. Immer wieder wurden neue Soldaten aufgeboten, von denen ein grosser Teil nie mehr zurückkehrte. Im Ganzen forderten die Kriege zwischen 1792 und 1815 (als Napoleon endgültig gestürzt wurde) auf gegnerischer Seite über zwei Millionen Tote, auf französischer Seite über eine Million. Auch vom Leitspruch der Revolution, nämlich Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, bekamen die Bürger höchstens die Gleichheit zu spüren. Freiheit gab es unter Napoleons Herrschaft kaum: Er liess 60 von 63 in Paris erscheinende Zeitungen verbieten, das Volk liess er von der Polizei beobachten und wer den leisesten Verdacht auf Untreue erweckte, wurde deportiert. Jacques-Louis David: Die Krönung von Napoleon Napoleon weigerte sich, nach Rom zu fahren, liess Papst Puis VII. nach Paris kommen und krönte sich vor seinen Augen zum Kaiser. Napoleon 8 Geschichte R.Ecklin Napoleons Herrschaft 1. In welcher Kathedrale krönte sich Napoleon zum Kaiser? 2. Wann krönte sich Napoleon? Die Insignien der Kaiserherrschaft: Krone als Zeichen der Würde, Reichsapfel als Symbol für die Einheit von weltlicher (Kugel) und geistlicher Macht (Kreuz), Zepter als Symbol des höchsten Richters. 3. Weshalb fürchteten die englischen, österreichischen und russischen Machthaber Napoleon? 4. Fasse Napoleons Täuschungsmanöver bei Austerlitz in eigenen Worten zusammen. Napoleon 9 Geschichte R.Ecklin 5. Welchen Vorteil, den Napoleons Herrschaft für die Franzosen brachte, erachtest du als den gewichtigsten und weshalb? 6. Welchen Nachteil, den Napoleons Herrschaft für die Franzosen brachte, erachtest du als den einschneidendsten und weshalb? Jacques-Louis David: Napoleon in seinem Krönungsornat (1806) Die goldene Lorbeerkrone verweist auf die römischen Kaiser und betont Napoleons Macht und antike Verbindungen. Das Zepter und die Hand der Gerechtigkeit symbolisieren seine weltliche und geistliche Autorität. Sein roter, reich verzierter Mantel mit Hermelinbesatz ist ein Zeichen seines Reichtums und seiner kaiserlichen Stellung, während der prunkvolle Thron seine absolute Herrschaft unterstreicht. Napoleons selbstbewusste Pose und der direkte Blick vermitteln seine Souveränität und Macht, wobei die gesamte Komposition ihn als fast gottgleichen Herrscher darstellt. Napoleon 10 Geschichte R.Ecklin Politik unter Napoleon Seit dem Römischen Kaiserreich hatte kein Herrscher so grosse Teile Europas erobert wie Napoleon. Napoleon verdankte seinen Aufstieg zum mächtigsten Mann aber nicht nur seinem militärischen und strategischen Geschick, sondern auch seinem politischen Genie. Damit hatte er die Französische Revolution gezähmt, Frankreich vor inneren und äusseren Feinden geschützt und die Welt des Ancien Régime in Trümmer gelegt. Napoleon liess etwa Strassen, Kanäle und Brücken bauen und wichtige Gebäude sanieren. Er restrukturierte und zentralisierte das Universitätswesen, indem er mit der Université impériale eine zentralistische Verwaltung gründete, in der alle Bildungsfragen geklärt wurden. In dieser Universität wurden Naturwissenschaften, Sprachwissenschaften, Theologie, Rechtswissenschaft sowie Medizin gelehrt. Heute trägt die Universität den Namen Sorbonne und gehört weltweit zu den führenden Universitäten. Auch im restlichen Land förderte Napoleon die Neugründung von Universitäten. Diese Reformen führten zu einer bemerkenswerten Blütezeit der französischen Wissenschaft und Kultur. Napoleon vereinheitlichte unter dem «Code Napoléon» die bisher gültigen 42 Gesetzestexte. Dieser «Code civil», wie er auch genannt wird, stellt eines der bedeutendsten Gesetzeswerke der Neuzeit dar. Darin wurden die in der Französischen Revolution formulierten elementaren Bürgerrechte festgelegt, darunter den Grundsatz der Gleichheit aller vor dem Gesetz, den Schutz und die Freiheit des Individuums und des Eigentums sowie die Trennung von Kirche und Staat. Eine weitere Errungenschaft der napoleonischen Reformen des «Code civil» war die Zivilehe und damit eine von der Religionszugehörigkeit unabhängige Form des Ehebundes. Napoleon erklärte das Dezimalsystem für verbindlich, wodurch Meter, Liter und Kilogramm in Frankreich und in weiten Teilen von französisch beherrschten Gebieten zur Norm wurden. Ende des 18. Jahrhunderts wurden noch unterschiedliche Masse verwendet. Es gab Elle und Zoll, aber auch Eimer und Biertonne als Masseinheit. Das Stadtbild von Paris ist heute undenkbar ohne den «Arc de Triomphe», der über den Champs-Elysées thront. 1806 liess Napoleon das Denkmal für seine «Grande Armée» nach der siegreichen Schlacht von Austerlitz über Russland und Österreich errichten. Napoleon 11 Geschichte R.Ecklin Erste Ehe mit Joséphine de Beauharnais Napoleon heiratete 1796 die verwitwete Joséphine de Beauharnais. Ihr Ehemann war während der Terrorherrschaft der Französischen Revolution guillotiniert worden. Napoleon war leidenschaftlich in die sechs Jahre ältere ehemalige Offiziersgattin verliebt. Ihr – und den Beziehungen, die sie zu ranghohen Politikern der Republik unterhielt – ist es teilweise zu verdanken, dass Napoleon 1796 General der Italienarmee geworden war, was den Beginn seiner erfolgreichen Militärkarriere markiert hatte. Tatsächlich hatte sie sich durch ihre Kontakte zu Vertretern des Ancien Régime, der Revolution sowie zu Mitgliedern des Direktoriums als Napoleons erste Frau, Jowertvolle Unterstützung bei Napoleons Staatsstreich am 9. November séphine de Beauharnais 1799 erwiesen. Mit Hilfe ihres Lebenslaufes, der Elemente der alten Aristokratie mit denen der Revolution vereinte, verschaffte sie ihrem Mann eine gesellschaftliche Akzeptanz, die er aufgrund seiner Herkunft und Laufbahn aus eigener Kraft nicht hätte erreichen können. Napoleon selbst war aus niederem korsischem Adel, deshalb betrachteten ihn die altehrwürdigen Herrscherhäuser herablassend als einen Emporkömmling. Napoleon profitierte vom gesellschaftlichen Status seiner Frau. Joséphine wirkte über die Konsulatszeit hinaus nicht aktiv auf die Politik ihres Mannes ein. Napoleon krönte sie 1804 in der Kirche Notre-Dame de Paris zur Kaiserin. Als deutlich wurde, dass Joséphine, die – wie Napoleon – wiederholt untreu gewesen war, dem Kaiser keine Kinder gebären würde, verlangte Napoleon die Scheidung. Da er bereits zwei uneheliche Söhne hatte, wusste er, dass die Kinderlosigkeit in seiner Ehe nicht an ihm liegen konnte. 1810 willigte sie in die Scheidung ein. Die Scheidung vom 10. Januar 1810 war die erste, die unter dem Code Civil ausgesprochen wurde. Zweite Ehe mit Marie-Louise von Österreich Napoleons zweite Frau, Marie-Louise von Österreich Napoleon Napoleons zweite Ehe verlief besser. Die Habsburgerin MarieLouise von Österreich schien ihm die ideale Gattin. Ihre abstammung aus einer der vornehmsten Dynastien Europas, spielte bei Napoleons Überlegungen eine grosse Rolle. Der Drahtzieher aller politischen Aktionen und der wichtigste Ratgeber ihres Vaters war der gerissene und ehrgeizige Aussenminister Fürst Clemens von Metternich. Marie-Louise mochte ihn nicht, und das beruhte auf Gegenseitigkeit. Für Metternich war Marie-Louise eine der Kaisertöchter, die sich den Interessen des Vaterlandes und der Familie bedingungslos unterzuordnen lernen musste. Das Familienleben am Hofe wurde im- 12 Geschichte R.Ecklin mer wieder von der grossen Weltpolitik überschattet, Napoleon war zweimal in Wien einmarschiert und hatte viermal ihr Vaterland besiegt. Marie-Louise musste mit ihrer Familie zweimal aus Wien fliehen. Das führte dazu, dass Napoleon für die heranwachsende Habsburgerin das absolute Feindbild war. Napoleon war für das junge Mädchen der Teufel, der Antichrist, der Menschenfresser. Ihr Vater, Kaiser Franz I., teilte ihr mit 17 Jahren mit, dass Napoleon um ihre Hand anhalten würde und sie dieses Opfer auf jeden Fall für ihn und ihr Vaterland bringen müsse. Der Frieden mit Frankreich, der Erhalt der Habsburger Monarchie und weniger Landabtretungen waren die Hoffnungen, die Kaiser Franz I. und Kanzler Metternich mit dieser Heirat verbanden. Die Braut Marie-Louise war in dieser Sache nur ein Spielball der Mächte. Schliesslich fügte sie sich ihrem Schicksal und heiratete Napoleon am 1. April 1810. Aus der Vernunftehe entwickelte sich jedoch wider Erwarten eine harmonische Beziehung. Marie-Louise war sehr angetan vom guten Aussehen ihres Mannes und ihre Sympathien ihm gegenüber wuchsen. Ihrem Vater schrieb sie, Napoleon liebe sie sehr und sie erwidere diese Liebe. Zwei Tage später reiste das Kaiserpaar nach Schloss Saint-Cloud, wo die Ziviltrauung stattfand. Am 2. April 1810 zog eine prächtige Prozession von über 50 Kutschen und 200 Reitern, bejubelt von spalierstehenden Menschen, zum Pariser Louvre, wo Marie-Louise zur Kaiserin der Franzosen gekrönt wurde. Bei diesem wichtigen kirchlichen Akt fehlte die Hälfte der Kardinäle, denn sie zweifelten an der Rechtmässigkeit der Zeremonie, nachdem der Papst Napoleons erste Ehe nie für ungültig erklärt hatte. Napoleon schien verliebt in seine neue Gattin. Ihre Naivität, ihre Anschmiegsamkeit und sparsame Haushaltsführung im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin entzückten ihn, er fand sie sei «eine gute kleine Frau». Der französische Hofstaat war allerdings enttäuscht, man vermisste die charmante, verschwenderische und geistreiche Joséphine, was aber Napoleon nicht störte. Napoleons Glück war vollkommen, als Marie-Louise im nächsten Jahr, am 20. März 1811, den ersehnten Thronfolger gebar. Der künftige Napoleon II. wurde auf den Namen «Napoleon, Francois Charles Joseph» getauft, in Frankreich auch bekannt als «LAiglon» (der kleine Adler). Dieser versagte allerdings dabei, in die Fussstapfen seines Vaters zu treten. Er regierte Frankreich zwar, allerdings nur für knapp zwei Wochen im Jahr 1814, da die politische und militärische Lage sehr instabil war und die Alliierten, die gegen Napoleon gekämpft hatten, diese Nachfolgeregelung ablehnten und stattdes- Marie-Louise nach der Geburt von Napoleon II sen Ludwig XVIII. einsetzten. Napoleon 13 Geschichte R.Ecklin Brand von Notre-Dame de Paris 2019 Der Brand von Notre-Dame war ein Grossbrand, der am 15. und 16. April 2019 das historische Bauwerk der Kathedrale Notre-Dame de Paris teilweise zerstörte. Der Pariser Feuerwehr gelang es nach etwa vier Stunden, den Brand im Wesentlichen auf den hölzernen Dachstuhl zu begrenzen. Die Westfassade mit den Haupttürmen, die Wände des Mittelschiffs mit den abstützenden Strebebögen sowie grosse Teile des DeckengeDas Mittelschiff der Notre-Dame in Flammen wölbes und die Seitenschiffe und Chorumgänge blieben weitgehend stabil. Im Dach der Kathedrale waren Bleiplatten verbaut. Diese schmolzen im Feuer. Ein Feuerwehrmann wurde von herabtropfendem Blei schwer verletzt. Nicht nur für die Menschen, auch für die Kunstwerke waren die dadurch entstehenden Gase gefährlich. Die wichtigsten Schätze konnten jedoch gerettet werden: Neben der Dornenkrone und dem Altarkreuz überstanden auch die weltberühmte Orgel und die beeindruckenden Rosetten (die bunt verglasten Fenster) das Feuer. Die Dornenkrone, die Jesus der Überlieferung zufolge bei der Kreuzigung getragen haben soll, wird von Goldfäden zusammengehalten. Der Nutzraum im Innern der NotreDame nach dem Brand Napoleon Infographik über die zerstörten Bereiche der Kathedrale 14 Geschichte R.Ecklin Politik unter Napoleon 1. Was hat Napoleon gebaut, renoviert oder veranlasst, das bis heute nachwirkt? Notiere in Stichworten. 2. Inwiefern konnte Napoleon Profit aus seiner ehe mit Joséphine de Beauharnais ziehen? 3. Weshalb liess sich Napoleon von Joséphine de Beauharnais scheiden? 4. Welche historische Bedeutung hat die Kathedrale Notre-Dame de Paris? Napoleon 15 Geschichte R.Ecklin Die Alte Eidgenossenschaft Die Alte Eidgenossenschaft war ein lockeres Bündnisgefüge souveräner (selbstbestimmter) Kantone und bestand bis 1798. Sie setzte sich aus 13 Orten und ihren Untertanengebieten zusammen. In diesen Untertanengebieten, die von den mächtigen Städten oder Landkantonen kontrolliert wurden, war die Bevölkerung politisch völlig ausgeschlossen und unterlag strengen Einschränkungen. Die Landleute hatten keine politische Mitbestimmung und durften auch kein Gewerbe betreiben, das die städtischen Zünfte (Berufsverbände der Handwerksmeister) konkurrenziert hätte. Sie waren nach wie vor Leibeigene der Grundherren und mussten Frondienste (auf dem Feld oder im Strassenbau) verrichten und hohe Abgaben zahlen. In Städten wie Bern, und Luzern bestimmten Patrizierfamilien die Geschicke der Stadt und des umliegenden Landes, einschliesslich der Untertanengebiete Aargau und der Waadt. Zwar hatten die Stadtbürger das Recht, ihre Räte zu wählen, aber nur wenige privilegierte Familien konnten öffentliche Ämter besetzen. In Zürich, Basel und Schaffhausen regierten die Zünfte, die ebenfalls den Kreis der herrschenden Familien eng hielten. Selbst in den kleineren Landkantonen wie Uri, Schwyz, Unterwalden, Glarus und Appenzell, wo formell eine Demokratie herrschte, bestimmten einige alteingesessene Familien massgeblich die Politik. Auch hier waren die Untertanengebiete (z.B. das Tessin) von politischer Mitbestimmung ausgeschlossen. Die grosse Mehrheit der Bevölkerung, insbesondere die Landbevölkerung in den grossen Kantonen und deren Untertanengebieten, hatte keinerlei politische Rechte. In der gesamten Eidgenossenschaft gab es weder Handels- und Gewerbefreiheit noch Pressefreiheit. Die religiöse Spaltung zwischen katholischen und reformierten Kantonen und das Fehlen einer zentralen Regierung führten zu weiteren Spannungen und Ungleichheiten. Die Alte Eidgenossenschaft (bis 1798) Napoleon 16 Geschichte R.Ecklin Die Helvetische Republik 1798-1803 Im Januar 1798 marschierte Napoleon mit seinen Truppen in die Schweiz ein. Frankreichs Interessen an einer Annexion (Einverleibung) der Schweiz war vielfältig: Trikolore der Helvetischen Republik à Alpenpässe: Durch die Besetzung der Schweizer Alpenpässe wäre Norditalien für französische Truppen schneller erreichbar. à finanzielle Mittel: Einige Kantone verfügten über beträchtliche finanzielle Mittel, die den Franzosen für ihre weiteren Kriegspläne sehr hilfreich wären. à Die Schweizer Bevölkerung wäre eine neue Rekrutierungsbasis für Soldaten. Im März 1798 wurde in Aarau unter dem Diktat Frankreichs die Helvetische Republik mit Aarau als Hauptstadt ausgerufen. Damit endete die Alte Eidgenossenschaft, die seit dem 13. Jahrhundert bestanden hatte. Die Verfassung der Helvetischen Republik war derjenigen der Französischen Republik sehr ähnlich: à à à à à Ein Parlament mit zwei Kammern (Legislative) Direktorium als zentrale Regierung (Exekutive) Ein oberstes Gericht (Judikative) Abschaffung der föderalistischen Strukturen Einführung von Grundfreiheiten (Meinung, Presse, Eigentum) Äusseres Zeichen der Anlehnung an das französische Vorbild war die Einführung einer Trikolore (dreifarbige Flagge) in den Farben grün, rot, gold. Die Helvetische Republik (1798-1803) Napoleon 17 Geschichte R.Ecklin Fortschritte unter der Helvetischen Republik Die Fortschritte der Helvetik lassen sich durchaus sehen. Nicht nur wurden die Leibeigenschaft und die Untertanenverhältnisse abgeschafft, es wurde auch nach dem Vorbild des französischen «code penal» ein einheitliches Strafgesetzbuch in Kraft gesetzt, das zahlreiche mittelalterliche Rechtsvorschriften ablöste und unter anderem endlich die Folter abschaffte. Die Volksschulbildung wurde stark verbessert – wirksam wurde dies allerdings erst über mehrere Generationen von Schülern hinweg, so dass die Voraussetzungen für eine moderne Demokratie eigentlich erst in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts richtig geschaffen wurden. Eingeführt wurde auch der Schweizer Franken, der als Einheitswährung einen grossen Münzwirrwarr ablöste. Die Helvetische Republik: trotzdem ein gescheitertes Experiment Wie schon die Französische Revolution zuvor, konnte auch die Helvetische Republik ihre Versprechen nur zum Teil einlösen. Dafür gibt es verschiedene Gründe: à Die Vertreter der Alten Eidgenossenschaft, vor allem in der Zentralschweiz, liessen keine Gelegenheit aus, um die neue Ordnung zu bekämpfen und zu destabilisieren. Immer wieder kam es zu Aufständen. Insbesondere der Aufstand in Nidwalden 1798 wurde blutig niedergeschlagen. à Die Napoleonischen Kriege mit der Einquartierung und der Ernährung von Tausenden von Soldaten auf Kosten der einheimischen Landbevölkerung zehrten die Ressourcen der Schweiz auf. à Napoleons Truppen stahlen erhebliche Mengen an Reichtümern und Kunstwerken. Besonders schwer wog der Raub des Bernischen Staatsschatzes (eine Ansammlung von Wertsachen, darunter Münzen und Edelmetallbarren), den die Franzosen nie zurückgaben. à Das zentralistische System hatte keinerlei historische Tradition in der Schweiz und wurde von einer Mehrheit der Bevölkerung nicht akzeptiert. à Die Neutralität war durch die Militärallianz mit Frankreich aufgehoben, was ebenfalls der Schweizer DNA zuwiderlief. à Die Bauern in den ehemaligen Untertanengebieten hatten Freiheit gefordert, aber sie wollten viel eher gleichberechtigt in das bestehende System der Eidgenossenschaft aufgenommen werden, als sich auf einen radikalen Systemwechsel einzulassen. 1802 sagte Napoleon in einer Ansprache über die Schweiz: «Glückliche Ereignisse haben mich an die Spitze der französischen Regierung berufen, und doch würde ich mich für unfähig halten, die Schweizer zu regieren. Wäre der erste Landammann von Zürich, so wären die Berner unzufrieden; wählt Ihr einen Berner, so schimpfen die Zürcher. Wählt Ihr einen Protestanten, so widerstreben alle Katholiken, und so wieder umgekehrt. Wählt Ihr einen Reichen, so macht er Neidische, wählt Ihr einen verdienstvollen Unbemittelten, so müsst ihn stark bezahlen, soll er einiger Achtung geniessen.» Napoleon 18 Geschichte R.Ecklin Die Alte Eidgenossenschaft und die Helvetische Republik 1. Erkläre folgende Begriffe souverän Der Frondienst Annexion föderalistisch zentralistisch Neutralität Napoleon 19 «Raub des Staatsschatzes und der Bären», Karikatur von Balthasar Dunker, 1798. Die Franzosen stahlen nicht nur den Staatsschatz aus der Zytglogge (Wachturm), sondern auch die Bären, die im Bärengraben waren, was für die Berner eine grosse Demütigung war. Geschichte R.Ecklin Die Mediationsverfassung von 1803 1802 zog Napoleon seine Truppen aus der Schweiz ab und rief Vertreter der Unitarier (Anhänger des Zentralstaats) und Föderalisten (Anhänger der Alten Eidgenossenschaft) zu Verhandlungen nach Paris. Im Oktober 1802 kamen erneut französische Truppen in die Schweiz und entwaffneten die Aufständischen in der Zentralschweiz. Napoleon hatte sich allerdings mit der Situation in der Schweiz vertraut gemacht und begriff deshalb, dass der zentralistische Einheitsstaat in der Schweiz angesichts der grossen sprachlichen, kulturellen und religiösen Unterschiede und Gegensätze keine Chance hatte. Deshalb zwang er der Schweiz 1803 eine neue Verfassung, die sogenannte Mediationsakte, auf. Damit fand die Helvetik ihr Ende. Die gängige Bezeichnung Mediation (Vermittlung) beschreibt die Rolle Napoleons allerdings kaum zutreffend, wenn auch Napoleon selbst sich gerne als Vermittler darstellte. In Wirklichkeit war die als Mediationsakte betitelte neue Verfassung für die Schweiz weitestgehend ein Diktat Napoleons. Die Mediationsakte gab den grössten Teil der Entscheidungsfreiheit an die 19 Kantone der neuen Eidgenossenschaft ab und eliminierte die Zentralregierung. Die Münzhoheit – also die Entscheidungsmacht über die Währung – ging wieder an die Kantone über. Die Abgesandten der einzelnen Kantone der alten Eidgenossenschaft einigten sich jedoch auf den Erhalt des Schweizerfrankens als Einheitswährung. Einzig die Aussenpolitik sollte dem Bund vorbehalten bleiben. War also wieder alles wie vor der Revolution von 1798? Bei weitem nicht. Die Schweiz bestand nun nicht mehr aus 13 Orten, sondern aus 19 Kantonen. Der Jura, Genf und Neuenburg blieben aber Frankreich einverleibt, das Wallis wurde 1810 von Frankreich annektiert. Die Zölle, die vor 1798 zwischen den Kantonen bestanden, wurden nicht erneuert. Unter französischer Herrschaft (1803-1813) erlebte die Schweiz ein Jahrzehnt des Friedens. Hingegen litt die Industrie unter der Wirtschaftsblockade der Feinde Napoleons. Die Mediation (1803-1813) Napoleon 20 Geschichte R.Ecklin Die Mediationsverfassung von 1803 1. Kreuze an, welche Aussagen zutreffen und welche nicht. a) Unitarier und Föderalisten haben grundsätzlich das gleiche Ziel. richtig falsch b) Sprachlich, religiös und kulturell war die Schweiz zu unterschiedlich, um sie zentralistisch regieren zu können. richtig falsch c) Mit der Mediationsakte war das Zeitalter der Helvetik beendet. richtig falsch d) Mit der Mediationsakte erhielt jeder Kanton die Kompetenz, eine eigene Aussenpolitik (Handlungen, die Beziehungen des Staates zu anderen Staaten beeinflussen) zu betreiben. richtig falsch e) Unter französischer Herrschaft erlebte die Schweiz eine Zeit der wirtschaftlichen Blüte. richtig falsch Napoleon 21 Geschichte R.Ecklin Napoleons Ende Weil Napoleon kein Mittel fand, Grossbritannien zu besiegen, verordnete er die Kontinentalsperre. Kein europäisches Land durfte Waren an Grossbritannien liefern oder von ihm beziehen. Er hoffte, dass dadurch die britische Wirtschaft zusammenbrechen würde und die Briten so zum Nachgeben gezwungen würden. Die Kontinentalsperre schadete aber auch den Festlandstaaten. So kam zum Beispiel keine Rohbaumwolle mehr in die Schweiz, weil die Seewege auf den Weltmeeren ganz von den Briten beherrscht wurden. Hinzu kam, dass Napoleon, um die französischen Fabrikanten zu schonen, der schweizerischen Textilindustrie den Export verbot. 1812 waren in der Ostschweiz 20 00 Heimarbeiter arbeitslos. Auch Russland beteiligte sich zuerst unter Druck an der Kontinentalsperre. Das war Teil des Friedensvertrages, der am 7. Juli 1807 nach verlorener Schlacht gegen Frankreich unterzeichnet worden war. Russland musste keine grösseren Gebiete abtreten, sich aber verpflichten, sich der von Napoleon gegen England verhängten Wirtschaftsblockade anzuschliessen. Als der russische Zar (Kaiser) Alexander aber merkte, welche Schäden ihm der Unterbruch des Handels mit Grossbritannien brachte, hielt er sich nicht mehr an den Vertrag. Eine Wirtschaftssperre erreicht aber ihr Ziel nur, wenn sich alle daran beteiligen. Daher wollte Napoleon den russischen Kaiser bestrafen und ihn zur Einhaltung zwingen. Europa vor Napoleons Russlandfeldzug Napoleon 22 Geschichte R.Ecklin Russlandfeldzug Im Sommer 1812 zog Napoleon mit der «Grande Armée» nach RussNapoleons «Grande Armée» 1812: land. Sie setzte sich aus Angehörigen vieler europäischer Völker zu- 241 00 Franzosen sammen, darunter 13 00 Schwei- 147000 Deutsche zer. Die Russen stellten sich aber 70 00 Polen der Schlacht nicht und zogen sich 34 00 Österreicher Italiener immer weiter ins Landesinnere zu- 28 00 Schweizer rück. Bei diesem Rückzug vernich- 13 00 Angehörige anderer Staaten tete das russische Heer alles, was 27 00 den Franzosen nützen könnte: Felder und Häuser wurden in Brand gesetzt, Brücken gesprengt, Wege abgebrochen und Städte entvölkert. Man nennt das die Taktik der verbrannten Erde. Selbst Moskau wurde evakuiert und Napoleons Armee hatte somit keine Möglichkeit, sich zu ernähren. Napoleon konnte Moskau zwar einnehmen, aber ein Grossbrand machte die Stadt als Quartier für eine Armee unbrauchbar. Die Katastrophe Der Winter nahte und die «Grande Armée» hatte keine Unterkunft mehr. Im Verlaufe des Feldzugs wurden noch weitere 50 00 Mann eingesetzt. Von den total eingesetzten 610 00 Mann überlebten 110 00. Die mitgebrachten Lebensmittel waren schnell aufgebraucht und Nachschub war nicht in Sicht. Russland verfügte über 500 00 Mann, wovon rund 200 00 starben. Da weder Nahrungsmittel noch Unterschlupf gefunden wurden, entschloss sich Napoleon zum Rückmarsch. Dieser wurde jedoch zur Katastrophe. Im bereits auf dem Hinweg geplünderten Land waren kaum mehr Lebensmittel aufzutreiben. Die Kälte des hereinbrechenden Winters Napoleon 23 Geschichte R.Ecklin fiel bis auf -39 Celsuis. Und nun griffen auch noch die Russen, die zum grössten Teil beritten waren, von allen Seiten an. Aus dem Bericht des württembergischen Oberleutnants von Yelin über den Rückzug der «Grande Armée»: «Tausende starben schon jetzt an Entkräftung und Hunger, die Pferde nährten sich kümmerlich von Baumrinde und altem, verfaultem Stroh und Holz [] die langen Nächte waren fürchterlich, das grüne Holz wollte nicht brennen [] Oft kam es, wenn das Feuer angezündet war, dass Stärkere kamen und die Ersten verjagten, wobei es öfters zu Mord und Totschlag kam. Diejenigen, die während des Marsches zusammenbrachen, blieben auf der Strasse liegen, die nächsten Fuhrwerke gingen über sie hinweg, noch ehe sie ganz tot waren, und zermalmten sie; kein Mensch nahm sich die Mühe, solche Unglücklichen auf die Seite zu schaffen oder aus dem Weg zu ziehen []» An der Beresina Als die französische Hauptmacht den Fluss Beresina Ende November erreichte, zählte sie noch etwa 50 00 Mann. Rund 50000 halb erfrorene und halb verhungerte Überlebende der einstigen «Grande Armée» drängten ungeordnet und panisch über zwei Notbrücken auf die andere Flussseite. Bedrängt und angegriffen wurden sie dabei von drei russischen Armeen. Die Fliehenden behinderten sich gegenseitig. Wer stürzte, wurde zu Tode getrampelt oder von der Brücke in den eiskalten Fluss gedrängt. Von den 13 00 mitgereisten Schweizer Soldaten blieben Mitte November noch 1300 übrig. Diese mussten die nachdrängenden Russen aufhalten, um den Übergang über den Fluss zu ermöglichen. Sie selbst durften sich erst als Letzte zurückziehen. Zeitweise kämpften sie gar ohne Munition. In der Verzweiflung griffen sie die russischen Verbände erfolgreich mit aufgepflanztem Bajonett an. Nach der Schlacht fanden sich noch 300 Schweizer zum Appell, 100 davon verwundet. In der Schweiz galt ihr Kampfgeist als beispielhaft, ein neuer Mythos war geboren. An der Beresina wäre die Armee beinahe eingeschlossen worden, aber die intakten Einheiten konnten sich über den Fluss zurückziehen. Zehntausende Nachzügler wurden getötet. Napoleon 24 Geschichte R.Ecklin Verbannung auf Elba Am Jahresende 1812 war von der «Grande Armée» fast nichts mehr übrig. Napoleon selbst hatte sie nach dem Beresina-Übergang verlassen und war nach Paris zurückgekehrt. Seine Niederlage in Russland führte dazu, dass sich nun die übrigen europäischen Staaten Russland anschlossen und sich gegen ihn erhoben. Diesmal war er der Schwächere. Obwohl er sich nicht scheute, selbst fünfzehnjährige Knaben zu den Waffen aufzubieten, musste er bis Ende 1813 nach mehreren Niederlagen – die letzte davon in Leipzig – Deutschland und die Schweiz räumen. Damit endete die französische Herrschaft über die Schweiz und mit ihr die Mediationszeit. Im April 1814 zogen russische, preussische und österreichische Truppen in Paris ein, zwangen Napoleon zur Abdankung, verbannten ihn auf die Insel Elba, setzten den Bruder des letzten Königs, Ludwig XVIII. ein und trafen sich zur Friedenskonferenz in Wien. Napoleons letzte Schlacht 1815 kehrte Napoleon aber heimlich mit 1000 Soldaten nach Frankreich zurück und marschierte nach Paris. Die Bevölkerung jubelte ihm zu und die Soldaten, die Ludwig XVIII. schickte, um ihn gefangen zu nehmen, liefen zu ihm über. Daraufhin ergriff Ludwig XVIII. die Flucht. Napoleons Herrschaft dauerte aber nur 100 Tage. In seiner letzten Schlacht in Waterloo im heutigen Belgien gelang es englischen und preussischen Truppen, die Franzosen endgültig zu schlagen. Napoleon wurde auf die britische Insel St. Helena weit draussen im Südatlantik verbannt, wo er 1821 starb. Napoleons Mausoleum (mächtiger Grabbau, meist für bedeutende Herrscher) befindet sich im Invalidendom, einer Kirche in Paris, die 1706 erbaut wurde. Das Mausoleum ist ein wichtiges nationales Denkmal und ein Symbol für Napoleons Einfluss auf die französische und europäische Geschichte. Besucher können das Mausoleum besichtigen und mehr über Napoleons Leben und Erbe erfahren. Napoleon 25 Geschichte R.Ecklin Napoleons Ende Fasse jedes Unterkapitel in zwei Sätzen zusammen. Russlandfeldzug Die Katastrophe An der Beresina Verbannung auf Elba Napoleon 26 Geschichte R.Ecklin Napoleons letzte Schlacht Elba Napoleon St. Helena 27 Geschichte R.Ecklin Waterloo: Napoleons letzte Schlacht Dokumentation Infanterie Kavallerie Artillerie 1. Welche Länder erklärten Napoleon 1815 den Krieg? 2. Was unterschied Arthur Wellesley (Duke von Wellington) von Napoleon im Umgang mit seinen Soldaten? 3. Welchen Nachteil hatte der Boden in Waterloo für Napoleons Truppen? Napoleon 28 Geschichte R.Ecklin 4. Welchen Vorteil hatte Wellingtons Linienformation gegenüber Napoleons Kolonnenformation? 5. Was war der Unterschied zwischen den Gewehren der deutschen Truppen auf La Haye Sainte und den Musketen der Franzosen? 6. Wie verteidigten sich die englischen Truppen gegen Napoleons Kavallerie? Napoleon 29 Geschichte R.Ecklin 7. Weshalb liess Napoleon seine Soldaten glauben, eigene Truppen seien ihnen zur Hilfe gekommen? 8. Was ordnete Napoleon an, als die Schlacht verloren war und seine Soldaten begannen zu fliehen? 9. Was passierte mit dem Maréchal Michel Ney und dem Herzog von Wellington nach der Schlacht von Waterloo? Ende einer bewegten Karriere: Napoleon Bonaparte im Exil auf St. Helena, wo er seine letzten Tage mit Lesen, Gartenarbeit und Alkohol verbrachte, bevor er 1821 an Magenkrebs starb. Napoleon 30 Geschichte R.Ecklin Der Wiener Kongress Am Wiener Kongress wurde die Neuordnung Europas nach Napoleons Niederlage beschlossen. Napoleon hatte zahlreiche Länder eingenommen oder aufgelöst und viele neue Ländergrenzen waren geschaffen worden. Europa hatte sich dadurch erheblich verändert. Am Wiener Kongress trafen sich bevollmächtigte VertreFürst von Metternich ter aus rund 200 europäischen Staaten und Städten. Entscheidungsmacht hatte aber vor allem die Fünfherrschaft (Pentarchie) bestehend aus Grossbritannien, Frankreich, Preussen, Österreich und Russland. Das Ziel des Wiener Kongresses war es, die politische Ordnung und die LanBrit. König desgrenzen von vor der Französischen Revolution wiederherzustellen (ResGeorg IV tauration). Revolutionen sollten für alle Zeiten verhindert werden. Das bedeutete auch, dass wieder Könige, also die rechtmässigen, von Gott erwählten Herrscher, regieren sollten (Legitimität). Der Zar von Russland, der König von Preussen und der Kaiser von Österreich schlossen unter der Leitung des Fürsten von Metternich die Heilige Allianz, in der sie sich Unterstützung im Falle von Aufständen innerhalb des Landes zusicherten (Solidarität). Die Unterzeichner des Bündnisses bekannten sich zum Gottesgnadentum der HerrFranzösischer König Ludwig XVIII. scher und bezeichneten die christliche Religion als Fundament der herrschenden politischen Ordnung. Sie verpflichteten sich zu gegenseitigem Beistand zum Schutz dieser Ordnung gegen alle bürgerlichen Umwälzungen. Dem Vertrag traten in den folgenden Jahren alle europäischen Staaten bei, ausser Grossbritannien und der Kirchenstaat. 1818 unterschrieb Frankreich unter Preussischer König Ludwig XVIII. das Abkommen. Friedrich III. Um zukünftig Kriege, wie sie Napoleon vom Zaun gebrochen hatte, zu verhindern, sollte in Europa ein Mächtegleichgewicht herrschen. Kein Land sollte ein anderes militärisch überragen können, wie es Frankreich in den Jahren zuvor getan hatte. Wenn die Länder gleich stark und solidarisch wären, würde es kein Land riskieren, ein anderes anzugreifen, so die Idee. Öst. Kaiser Franz I. Frankreich musste die Gebiete, die seit der Revolution erobert worden waren, abtreten. Darüber hinaus wurden Frankreich aber keine Gebiete abgezogen Aus den deutschen Fürstentümern entstand der Deutsche Bund, der aus Preussen, dem deutschen Teil Österreichs und weiteren Einzelstaaten bestand. Es handelte sich hierbei aber noch immer nicht um ein geeintes Land, sondern um einen Bund von einzelnen Gliedstaaten. Auch der Kirchenstaat wurde wiederhergestellt. Holland wurde mit Belgien zusammengeschlossen, die Königreiche Schweden und Norwegen vereinten sich ebenfalls und Österreich erhielt Salzburg, Tirol und Gebiete in Norditalien zurück. Russischer Kaiser Alexander I. Napoleon 31 Geschichte R.Ecklin Europa nach dem Wiener Kongress Der Wiener Kongress 1. übersetze und erkläre die drei Leitgedanken des Wiener Kongresses. Restauration Legitimität Solidarität Napoleon 32 Geschichte R.Ecklin Die Schweiz am Wiener Kongress Es war der Wiener Kongress, der das Land befriedete. Als dort die Siegermächte Österreich, Preussen, Russland und England über eine Neuordnung Europas berieten, wurde die Schweiz dazu bestimmt, als Pufferstaat zwischen den Erzfeinden Frankreich und Österreich zu fungieren. Den Eidgenossen wurde die Unversehrtheit ihres Staatsgebiets garantiert, unter der Bedingung, dass sie sich zu einem Staatenbund zusammenschlossen und die Souveränität aller 22 Kantone anerkannten, also auch die der ehemaligen Untertanengebiete. Gleichzeitig bewilligte der Wiener Kongress die Erweiterung der Eidgenossenschaft um die Kantone Wallis, Neuenburg und Genf. Bevor die Grossmächte den Eidgenossen die immerwährende Neutralität zusicherten, mussten diese ihre neue politische Organisation festschreiben. Das geschah im Bundesvertrag, der am 7. August 1815 im Grossmünster in Zürich feierlich besiegelt wurde: «Im Namen Gottes des Allmächtigen! Die XXII souveränen Cantone der Schweiz [] vereinigen sich durch den gegenwärtigen Bund zur Behauptung ihrer Freiheit, Unabhängigkeit und Sicherheit gegen alle Angriffe fremder Mächte, und zur Handhabung der Ruhe und Ordnung im Innern.» Die Schweizer verpflichteten sich, eine nationale Armee zur Sicherung der Staatsgrenzen aufzustellen, eine gemeinsame Aussenpolitik zu betreiben und ihre inneren Konflikte auf friedlichem Weg zu lösen. Die immerwährende Neutralität ist noch heute in der Verfassung verankert. Der Bundesvertrag von 1815 kann als Geburtsstunde der modernen Schweiz angesehen werden. Durch ihn entstand die Schweizerische Eidgenossenschaft – so lautet auch heute noch die offizielle politische Bezeichnung des Landes. Die Schweizerische Eidgenossenschaft (1815) Napoleon 33 Geschichte R.Ecklin Die Schweiz am Wiener Kongress 1. Welche Bezeichnungen hatte man für die Schweiz der folgenden Zeitperioden? 1291-1798: 1798-1803: 1803-1813: 1815-heute: 2. Welche Folgen hatte der Wiener Kongress für die Schweiz? 3. Weshalb wird das Jahr 1815 auch die Geburtsstunde der Schweiz genannt? Napoleon 34 Geschichte R.Ecklin Julirevolution 1830 Frankreich nach dem Wiener Kongress Nach den Napoleonischen Kriegen war 1814 eine konstitutionelle Monarchie eingeführt worden. Ludwig XVIII., der Bruder des geköpften Ludwigs XVI., hatte die Regentschaft Frankreichs übernommen. Als Napoleon 1815 noch einmal zur Herrschaft der Hundert Tage an die Macht zurückkehrte, musste Ludwig fliehen. Erst nachdem Napoleon endgültig besiegt worden war, konnte er zurückkehren. Persönlich war er geKönig Ludwig XVIII. mässigt und respektierte das Parlament und die Verfassung. Innenpolitisch war Frankreich in mehrere Gruppierungen gespalten. Einige wollten die absolutistische Monarchie wiederherstellen, andere das Parlament stärken und wiederum andere eine Republik einführen. Ludwig XVIII. gelang es aber nicht, die extremen Royalisten im Zaum zu halten, und es kam zu Racheakten an Republikanern und Bonapartisten, dem sogenannten Weissen Terror. Ludwig XVIII. verstarb am 16. September 1824 an den Folgen von Krankheiten, die mit seinem Übergewicht und Gicht zusammenhingen, auf dem Bett Napoleons im Tuilerienpalast in Paris. Juliordonnanzen König Karl X. Seine Nachfolge übernahm sein Bruder Charles (deutsch: Karl X.). Unter ihm kam es zu immer grösser werdenden Konflikten mit dem Parlament. Er sah sich als von Gott eingesetzter König und unterstützte die royalistische Bewegung. Mit den sogenannten Juliordonnanzen, die er am 25. Juli erliess, löste er die das Parlament (Legislative) auf, schränkte die Pressefreiheit ein und stärkte die politischen Rechte des Adels, indem er das Zensuswahlrecht einführte. Das Zensuswahlrecht sieht vor, dass nur wählen darf, wer über ein gewisses Vermögen verfügt. Angestaute Empörung vieler Franzosen gegen den König Charles X. und dessen Politik entlud sich in Paris Ende Juli 1830 in schweren Unruhen. Les Trois Glorieuses Innerhalb von drei Tagen fegten sie die Herrschaft des Bourbonenkönigs hinweg. Karl X. wurde zur Abdankung und Flucht nach England gezwungen. Da sich die Revolution an den drei Tagen vom 27. bis 29. Juli 1830 abspielte, werden diese im französischen Sprachraum auch als «Die Drei Glorreichen» (Les Trois Glorieuses) bezeichnet. Die Julirevolution hatte den endgültigen Sturz der Bourbonen (Adelsgeschlecht) in Frankreich zur Folge. Napoleon 35 «La Liberté guidant le peuple» von Eugène Delacroix Geschichte R.Ecklin Die Umliegenden Länder intervenierten nicht, da sie gleichzeitig eigene soziale und politische Spannungen im Inland hatten und sich die Solidarität unter den Monarchien in der Praxis nur schwer durchsetzen liess. Zudem war der neue König Frankreichs, Louis-Philippe, kein radikaler Revolutionär, sondern stammte aus dem Adelsgeschlecht der Orléans und trat eine konstitutionelle Monarchie an. Diese erschien vielen europäischen Monarchen akzeptabler. Louis Philippe von Orléans wurde «der Bürgerkönig» genannt, da seine Herrschaftsform im Vergleich zu jener von Karl X. freiheitlich und durch eine gute Zusammenarbeit mit dem Parlament geprägt war. Zudem wurde die Meinungs- und Redefreiheit, die Karl massiv eingeschränkt hatte, wieder eingeführt. Louis-Philippe versprach, seine Herrschaft nicht auf das Prinzip der monarchischen Legitimität zu gründen, sondern auf den Willen der Bevölkerung. Auf den Porträts ist er bescheidener als die bisherigen Könige abgebildet und er verzichtete auf Kniebundhosen. Auch sein offizieller Titel, der «König der Franzosen», im Gegensatz zu «König von Frankreich», wie die französischen Könige seit Heinrich IV. genannt wurden, brachte seine Volksnähe zum Ausdruck. Danach begann die Periode der «Julimonarchie», die als Goldenes Zeitalter des französischen Bürgertums galt. Diese Revolution wirkte sich auch auf den Rest Europas aus. Auch in anderen Ländern wollten die Bürger liberale1 Reformen. Fürst Metternich, Verfechter der alten Ordnung, prägte deshalb den Ausspruch: «Wenn Paris hustet, erkältet sich Europa.» Bürgerkönig Louis-Philippe von Orléans Liberalismus: Idee eines gesellschaftlichen Systems mit Menschenrechten, möglichst hoher individueller Freiheit und möglichst wenig staatlichen Einschränkungen, Vorschriften und Willkür. 1 Napoleon 36 Geschichte R.Ecklin 1830, das Jahr der Revolutionen Im Jahr 1830 kam es in Europa zu mehreren Revolutionen, die vor allem von liberalen Ideen getragen wurden. «Liberal» bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Menschen mehr Freiheit und Rechte forderten. Dazu gehörten wichtige Grundrechte wie Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Eigentumsrecht demokratische Mitbestimmung (Wahlrecht) und Klassenlosigkeit. Viele Menschen forderten deshalb auch die Schaffung eines Nationalstaats, denn sie glaubten, dass echte Freiheit und gleiche Rechte nur in einem geeinten Staat möglich wären, wo Gesetze und Regeln für alle gleich sind. Zudem wollten sie Vereinheitlichung, zum Beispiel von Masseinheit