Arbeitsblatt: Kurzgeschichte
Material-Details
Dossier für das Lesen und Schreiben von Kurzgeschichten.
Deutsch
Leseförderung / Literatur
8. Schuljahr
12 Seiten
Statistik
210537
122
4
17.09.2024
Autor/in
Silvan Schmutz
Land: Schweiz
Registriert vor 2006
Textauszüge aus dem Inhalt:
1 MEINE EIGENE KURZGESCHICHTE NAME: Merkmale von kurzen Geschichten 1 Merkmale entdecken und interpretieren 2 Figuren. in Kurzgeschichten 4 Innteres und Äusseres 6 Eigene Kurzgeschichte entwickeln 9 Abbildung 1: Kurzgeschichte Nachts schlafen die Ratten doch von Wolfgang Borchert. 1 MERKMALE EINER KURZGESCHICHTE Lies den Text «Merkmale einer Kurzgeschichte» und streiche pro Abschnitt 2-3 Wörter an, die du als wichtig für den Text erachtest. Wir nennen sie: Schlüsselwörter. Schreibe anschliessend über jeden der fünf Absätze einen passenden Titel hin. Merkmale einer Kurzgeschichte Die Kurzgeschichte ist eine Textsorte, die in Deutschland besonders nach 1945 eine grosse Rolle spielte. Die Kurzgeschichte als Textsorte wurde nämlich nach dem Krieg von vielen Autoren aufgegriffen und weiterentwickelt, weil sie sich für die Darstellung und Verarbeitung von Erlebnissen im Krieg und in der Nachkriegszeit eignete. Neuere, moderne Kurzgeschichten greifen weniger Kriegserlebnisse, sondern eher andere, aktuellere Themen auf. Sie zeigen auch im Hinblick auf ihre Form eine grössere Vielfalt, sodass die Übergänge zu anderen Textsorten fliessender geworden sind. Die Kurzgeschichte ist eine Erzählform, die sich häufig auf einen Schicksalsschlag oder eine Grenzsituation im Leben einer oder weniger Hauptfiguren konzentriert. Sie bezieht sich auf einzelne, oft sehr bedeutsame Situationen im Leben einzelner Personen. Es gibt einen Wendepunkt, welcher die Figuren der Geschichte vor eine neue Erfahrung stellt oder ein einschneidendes Erlebnis darstellt. Die Charaktere sind meistens gewöhnliche Menschen, namenlose oder standardisierte Figuren – also keine Superhelden. Häufig wird aus deren Sicht die Handlung wiedergegeben – die Ich-Form oder die Indirekte Rede kommen häufig vor. Zu den wichtigsten Merkmalen der Kurzgeschichte gehört selbstverständlich ihre relative Kürze. Deshalb wird die Handlung häufig stark verdichtet, also auf das Wesentliche beschränkt. Die Zeitdauer der Handlung ist kurz und ausschnitthaft. Es zeigt sozusagen einen Ausschnit im Leben der Hauptfigur. Weil die Kurzgeschichte kurz ist, hat es keinen Platz für präzise Charakterisierung der Figuren. Stattdessen fängt die Kurzgeschichte direkt im Geschehen an und wir Leser:innen müssen aus den Handlungen, den Aussagen und den Gedanken selber auf die Figur schliessen. Ein weiteres Merkmal ist der offene Schluss: Dieser ist meist nicht eindeutig und klar, sondern offen. Als Leser:in wird man hier alleine gelassen. Man muss versuchen, den Schluss zu deuten. Weil die Geschichten kurz sind, werden oft Symbole und Metaphern verwendet: Also Dinge oder Sachen, die sinnbildlich für etwas stehen, bspw. eine Farbe. Die Sprache, Autoren in einer Kurzgeschichte verwenden, ist meist umgangssprachlich und leicht verständlich. Oft sind die Sätze kurz, prägnant, sachlich und nüchtern. Wenn einzelne Wörter wiederholt werden, dann ist dies oft ein Hinweis darauf, dass der Autor auf etwas hinweisen will. In Kurzgeschichte herrscht eine bedrückende, düstere Atmosphäre, selten ist die Stimmung fröhlich. Es sind also nicht Feelgood-Stories, sondern oft wird eine dunkle Seite der menschlichen Existenz beleuchtet. 2 MERKMALE ENTDECKEN UND INTERPRETIEREN 1. Nimm die Kurzgeschichte «Nachts schlafen die Ratten doch» zur Hand. Lies ein Merkmal genau durch und setze den Fokus beim Lesen anschliessend auf eines der vier Merkmale: 1 – Metaphern und Symbole Eine Metapher ist ein bildhafter Vergleich. Metaphorisch im übertragenen Sinn: Gefühle und Sachverhalte werden in eine Bildsprache übertragen, die der Leser interpretieren muss. «Der Himmel weint» bedeutet, dass es regnet, weil eine Situation traurig ist. Auch Farben sind oft Metaphern für etwas anderes: Eine «graue Maus» ist eine unscheinbare Person usw. Ein Symbol liegt dann vor, wenn ein konkreter Gegenstand für einen abstrakten Begriff oder ein Idee steht. Die Bedeutung von Symbolen muss man kennen, sie sind sonst nicht erkennbar. Ein Ring steht für die Ewigkeit, eine Taube für den Frieden usw. 2 – Sprache, Schreibstil Umgangssprache heisst Alltagssprache. Je nach Adressat passen wir unsere Sprache an. Wenn wir also mit einer guten Freundin schreiben oder sprechen, verwenden wir eine andere Sprache, als wenn wir mit ihren Eltern kommunizieren. Umgangssprache beim Schreiben können Wörter ein wie «Alter», «Mann», «Bro» usw. Auch Abkürzungen sind Umgangssprache, wenn man beispielsweise «ne» schreibt oder sagt anstatt «eine» oder «Wie gehts?» anstatt «Wie geht es?» 3 – Anfang und Schluss Der unmittelbare Einstieg ist typisch für eine Kurzgeschichte und kann für ungeübte Leser:innen eine Herausforderung sein, weil viele grundlegende Informationen fehlen, die normalerweise am Anfang einer Geschichte genannt werden. Diese Informationen werden nur angedeutet, und zwar meist nicht am Anfang, sondern während der ganzen Geschichte. Auch der Schluss ist offen, was zur Folge hat, dass die Leser/innen nicht alles vorgekaut bekommen. Man muss den Schluss deuten/interpretieren. Das schafft man nur, wenn man vorher genug Informationen gesammelt hat. 4 Figuren Die wenigen Figuren werden minimalistisch dargestellt. Oftmals werden ihre Hintergründe, Eigenschaften und Motive nur angedeutet, aber nicht eindeutig benannt. Man muss auf Aussagen, Gedanken und Handlungen der Figuren achten, denn was sie sagen und was sie tun gibt uns Informationen über sie. Diese muss man interpretieren. 2. Treffen in der Expertengruppe Triff dich mit den anderen Experten, die den gemeinsamen Schwerpunkt betrachtet haben, und tauscht euch aus: Was habt ihr markiert? Wo findet ihr die Merkmale? Was ist euch aufgefallen? 3 3. Treffen in der Stammgruppe Figuren Anfang und Schluss Sprache, Schreibstil Metaphern und Symbole Triff dich mit drei Schülerinnen und Schülern, die einen anderen Schwerpunkt hatten, und stellt eure Ergebnisse vor. Haltet in Stichworten fest, was eure Mitschüler:innen herausgefunden haben. 4 FIGUREN IN KURZGESCHCIHTEN 1. Der Charakter einer Figur wird durch ihre Handlungen gezeigt Bei den Merkmalen von Kurzgeschichten haben wir gelernt, dass Kurzgeschichten typischerweise mitten im Geschehen beginnen. Auch fehlt meistens eine umfassende Charakterisierung. Stattdessen müssen wir Leser aus den Handlungen der Figuren ableiten, mit was für Charakteren wir es zu tun haben: Charakter «Die 20-jährige Elsa, die als Verkäuferin arbeitet, ist gefrässig und bringt 110 Kilogramm auf die Waage.» Handlung «Elsas Blick wandert zur Bahnhofsuhr. Immer noch eine halbe Ewigkeit, bis der Zug einfährt, der sie zum Aldi am Stadtrand bringt, wo sie heute Frühdienst hat. Das reicht noch für einen Zwischensnack. Ihre Augen glänzen, als sie den Snickers-Riegel hastig aus der lästigen Verpackung befreit. Ihr Mund öffnet sich gierig und der erste Bissen landet in ihrem Schlund.» 2. Versucht nun selber Handlungen zu beschreiben, um den Charakter zu beschreiben. Charakter Handlung Sam, 43 Jahre, Sozialpädagoge, klatschsüchtig, in der Mittagspause Charakter Angela, 50 Jahre, Hausfrau, eifersüchtig, abends um 18 Uhr im Coop Handlung 5 3. Charaktere erfinden und beschreiben lassen Entwickle nun einen Charakter: Name, Alter, Beruf, Adjektiv, Ort und Zeit. Tauscht anschliessend eure Dossiers und füllt das Feld mit einer Handlung aus, welche die Figur und deren Eigenschaften beschreibt. Handlung Charakter Diese Inputs können dir vielleicht dabei helfen. Berufe Adjektive Orte Schrottsammler/in romantisch Freibad Bauarbeiter/in ungeduldig Campingplatz Schüler/in streitsüchtig McDonalds Taxifahrer/in zickig Bahnhof Banker/in pflichtbewusst Strassenkreuzung Bauer/Bäuerin depressiv Auto Arbeitsloser/in betrunken Zuschauertribüne Bäcker/in ehrgeizig Bar Lehrer/in gewalttätig Pausenhof Sozialpädagogin/ besserwisserisch Eisbahn Fischer/in grosskotzig Treffpunkt Bahnhof Profisportler/in stolz Strand Glacéverkäufer/in weinerlich Raststätte 6 ÄUSSERES UND INNERES: THEORIE Bevor du dich um Details wie Pointen, Charakterisierung, Alltagssprache usw. kümmerst, brauchst zu zunächst eine passende Hauptfigur (oder wenige Hauptfiguren) zu finden. Wenn du schon eine Idee hast, wie die Handlung verlaufen könnte, umso besser, denn dann kannst du aufgrund dieser Idee eine Hauptfigur entwickeln: Diese Hauptfigur hat wie alle Menschen äussere und innere Merkmale. Ausserdem befindet sie sich in einer bestimmten Situation. Auch hier wieder: Wie ist die äussere Situation? Wie ist die innere Situation? Eckdaten: Geschlecht, Alter, Herkunft, Nationalität Gestalt: Grösse, Gewicht, Statur Auffälliges: Tattoo, Stimme, Piercings Äussere Merkmale Kleidung Gesicht: Gesichtszüge, Frisur, Mimik Tätigkeiten: Beruf, Hobbys Umfeld: Ehepartner, Familie, Verwandte, Geschwister, Andere Beziehungen: Freunde, Verbündete Konflikte: Feinde, Widersacher, Gegner Äussere Situation 7 Wenn du noch nicht für jeden Punkt eine Vorstellung hast, wie deine Hauptfigur sein könnte: Kein Problem! Während des Schreibprozesses kannst du die Figur immer noch erweitern. Manche Punkte werden auch im Dunkeln bleiben. Es geht nicht darum, dass du um jeden Preis zu jedem Punkt etwas schreibst. Sondern darum, dass du dir deine Hauptfigur in vielen Facetten überlegst und sie dadurch lebendig machst. Charaktereigenschaften Innere Merkmale Motive: Ziele, Hoffnungen Wertvorstellungen (Was ist der Person wichtig?) Innere Probleme, Konflikte mit sich selber Innere Situation Ängste, Zwänge, Trauma Steht sie vor einer wichtigen Entscheidung? 8 ÄUSSERES UND INNERES: ÜBUNG 1. «Scherben» repetieren Repetiert in Gruppen den Inhalt der Kurzgeschichte «Scherben», die wir gelesen haben. Legt den Fokus auf die Situation und die Merkmale 2. Sammelt die Merkmale und schreibt sie ins entsprechende Feld. Sammelt die Merkmale und schreibt sie ins entsprechende Feld. Äussere Merkmale Innere Merkmale Äussere Situation Innere Situation 9 EIGENE KURZGESCHICHTE ENTWICKELN FRAGENKATALOG 1. Beantworte folgende Fragen zur Figur, ihren Problemen und ihrer Handlung Nun bist du gefordert: Beantworte die folgenden Fragen, um deine Geschichte durchzudenken. Tipp: Wenn du nicht weiterkommst, hilft dir eine der Schreibstrategien, die wir angeschaut haben! 1. Was sind die äusseren Merkmale der Hauptfigur? Eckdaten, Gestalt, Auffälliges, Kleidung, Gesichtszüge 2. Wie sieht die äussere Situation der Hauptfigur aus? Welche Tätigkeiten übt sie aus? Was für ein familiäres Umfeld und was für Beziehungen/Konflikte hat sie? 3. Was sind die inneren Merkmale der Hauptfigur? Welche Charaktereigenschaften zeichnen sie aus? Was sind ihre Ziele, Wertvorstellungen? 4. Wie ist die innere Situation der Hauptfigur? Welche inneren Konflikte/Ängste/Zwänge hat sie und woher kommen diese? Hat sie ein Trauma? 10 5. Welche anderen bedeutenden Charaktere kommen vor und wie beeinflussen sie die Geschichte? 6. Vor welchem Problem steht die Hauptfigur? Woher kommt das Problem? Hier ist das unmittelbare Problem gemeint. Bspw.: Der Junge in «Scherben» rastet aus, als seine Narben zu sehen sind. 7. Wie handelt die Hauptfigur und welche Folgen ergeben sich daraus? Was für eine Reaktion auf das Problem findet statt? Bspw.: Der Junge in «Scherben» zerschlägt den Spiegel. 8. Wo und zu welcher Zeit spielt sich die Geschichte ab? Nur ausfüllen, wenn Ort und Zeit eine bedeutende Rolle haben für die Geschichte. 11 9. Gibt es Symbole oder Metaphern, die bedeutsam sind für die Geschichte? Bspw.: In «Scherben» ist es das Modellflugzeug, der Spiegel, die Scherben. 10. Wie lautet der erste Satz? Erinnerung: Eine Kurzgeschichte fängt mitten im Geschehen an! 11. Gibt es einen offenen Schluss? Wie könnte dieser interpretiert werden? Erinnerung: Der Schluss einer Kurzgeschichte soll zum Nachdenken anregen. Oft Pointe oder offener Schluss.