Arbeitsblatt: Textverständnis
Material-Details
Textverständnis zu einem Zeitungsartikel
Deutsch
Textverständnis
9. Schuljahr
2 Seiten
Statistik
210756
154
3
09.10.2024
Autor/in
Rolf Lötscher
Land: Schweiz
Registriert vor 2006
Textauszüge aus dem Inhalt:
Luzerner steht vor erster Formel-1-Saison Roman Giger aus Richenthal ist in seinem Job eine Rakete. Der 23-jährige Autodiagnostiker montiert in drei Sekunden ein Rad eines Rennwagens. Die Autoschlangen vor Pneuhäusern und das Rattern der Schlagschrauber sind Vorboten des Frühlings. Monteure wechseln Räder und Pneus im Minutentakt. Sehr viel zügiger geht es voran, wenn Roman Giger ab diesem Frühling beim Radwechsel Hand anlegt, nämlich keine drei Sekunden. Mehr Zeit bleibt dem 23-jährigen Richenthaler nicht. Denn seine Kunden heissen Antonio Giovinazzi und Kimi Räikkönen, und die haben es mit dem Alfa Romeo Racing ORLEN C41 jeweils wahnsinnig eilig. Die Piloten stehen mit ihren Formel-1Boliden bei Boxenstopps nur für einen Wimpernschlag still, bevor sie wieder auf die Rennstrecke brettert. Roman Giger steht kurz vor seiner ersten Formel-1-Saison als Rennmechaniker bei der Sauber Motorsport AG. Bei Giovinazzi ist er Vorderachsmechaniker und bei den Boxenstopps montiert er das neue Rad vorne rechts, «Wheel on» heisst sein Auftrag. Vermeintlich keine grosse Sache, beim Radwechsel an der Box sind immerhin über zwölf Mechaniker im Einsatz. Ausserdem ist Roman Giger ein ausgezeichneter Berufsmann, schliesslich hat er seine Lehre als bester Automobilmechatroniker des Kantons Aargau abgeschlossen. Der erste GP-Einsatz steht kurz bevor Vielleicht steckt bei der Arbeit an einem Formel-1-Auto aber etwas mehr dahinter. «Das würde ich schon meinen. Jeder Mechaniker trägt bei den Rennen eine riesige Verantwortung. Auch bei den Boxenstopps kann sich eine kleine Unachtsamkeit eines einzelnen auf die Zeit des Boxenstopps auswirken, und die ist entscheidend im Motorsport», erzählt Giger, der auf seinen ersten Ernsteinsatz beim GP Bahrain vom 28. März brennt. Die Abläufe beim Radwechsel kennt er im Schlaf, die werden seit Wochen immer wieder vorwärts und rückwärts geübt und optimiert. Jeder ist auf seinem Gebiet ein Spezialist. Aber auch für die Boxencrew sind Trainings und Ernstkampf zwei Paar Schuhe. Generalprobe für den Luzerner ist voraussichtlich am 12. März bei den Sommertests in Bahrain. Praktisch in der Werkstatt aufgewachsen Es ist wohl nicht übertrieben, wenn man Roman Giger als einer der schnellsten Mechaniker der Schweiz bezeichnet. Der junge Mann ist wie seine Schwester Fabienne praktisch in der Werkstatt seiner Eltern Hans und Ruth Giger aufgewachsen. Der Vater gründete die Hubgarage AG in Richenthal 1986 als Einmannbetrieb. Die Leidenschaft für Motoren und Autos atmeten die Kinder mit der Werkstattluft ein. Beide lernten denselben Beruf. Roman startete seine Laufbahn bei der Garage Stierli AG in Zofingen. Nach dem erfolgreichen Lehrabschluss folgte die Zusatzausbildung als Automobildiagnostiker. Diese beendete er als Bester schweizweit. Und nun also die Formal 1, die Königsklasse des Automobilrennsports. Der Ritterschlag für jeden Techniker, der in dieser Liga schrauben darf. Das erste Jahr wurde Giger im sogenannten Car Assembly eingesetzt, wo zum Beispiel Sitz und Cockpit für die Fahrer gefertigt und eingestellt sowie auch Wartungen durchgeführt werden. Roman Giger blickt auf ein interessantes und intensives Jahr zurück: «Im Januar 2020 startete ich bei Sauber in Hinwil. Von Beginn weg war ich beim Aufbau des Chassis des C39 involviert. Ich war erstaunt, wie schnell ich ins Team integriert wurde und selbstständig arbeiten konnte.» Im ehemaligen Lehrbetrieb hat man Gigers Potenzial früh erkannt. Urs Hürlimann, Co-Geschäftsleiter der Garage Stierli, sagt: «Es zeichnete sich ab, dass er ein guter Mechatroniker wird. Der Beruf ist technisch und schulisch sehr anspruchsvoll. Doch Roman besitzt einen grossen Ehrgeiz. Er legte fast nie eine Prüfung unter eine Note von 5,5 ab und man konnte ihm praktisch von Beginn weg Fahrzeuge anvertrauen.» Nach der Kündigung gratulierte ihm der Chef Dass Giger nun bei Sauber schraubt, freut Hürlimann. «Roman erwähnte einmal, dass er sich seine berufliche Zukunft bei einem Tuning-Spezialisten oder in der Formel 1 vorstellen könnte. Uns allen war klar, dass er sein Ziel erreichen wird. Als er die Zusage aus Hinwil hatte, gratulierte ich zum ersten Mal einem Mitarbeiter zur Kündigung.» Hürlimann ergänzt, dass es nicht nur für einen Lehrbetrieb eine Auszeichnung sei, wenn ehemalige Mitarbeiter in den Hightech-Bereich Formel 1 wechseln, sondern es sei auch beste Werbung für die Berufe in der Automobil-Branche. «Ein eindrücklicher Beweis, dass jungen Leuten in dieser Branche die Welt offen steht.» Roman Giger ist nicht nur Mechaniker, er ist auch mit Leib und Seele Rennfahrer. Sein Sport ist das Driften. Dabei geht es darum, seinen Nissan 200SX quer zur Fahrbahn um die Kurve zu lenken. Der Grat zwischen Bodenhaftung und Kontrollverlust ist schmal, es braucht enorme Fahrzeugbeherrschung, dies zeigt Roman Giger etwa hier beim Driften: Da der HobbyRennfahrer während der Saison – im Formel-1-Kalender sind 23 Rennen aufgeführt – kaum Zeit für seinen Sport findet, geniesst er die wenigen Fahrten in seinem Nissan umso mehr. Internationale Erfolge mit Seilziehclub Ebersecken Im internationalen Sportgeschehen ist Roman Giger jedoch kein Neuling. Im Gegenteil, er kann auf eine sehr erfolgreiche Karriere mit dem Seilziehclub Ebersecken und der U19-Nationalmannschaft zurückblicken. So gewann er 2013 in Assen die Weltmeisterschaft bei den U19. In der Schweiz holte er mit den Luzernern diverse Titel in den Kategorien U19 und U23. In Europa gewann er ebenfalls das grösste Jugend Turnier «GENSB», das Teams aus Deutschland, England, den Niederlanden, der Schweiz und aus Belgien bestreiten, und das man mit der Fussball-Champions-League vergleichen kann. Auch als Trainer der Damen war er erfolgreich. Roman Giger erzählt diese Geschichten wie beiläufig, wobei in seinen Augen die grosse Leidenschaft ganz klar zu sehen ist. «Bei allen Titeln und den Erfolgen, es war für mich ein Hobby, das ich mit Kollegen betreiben durfte.» Diese Bescheidenheit ist typisch für den Richenthaler. Vater Hans nickt lächelnd, als er diese Passage des Gesprächs in der Hubgarage aufschnappt. Das Seilziehen war zwar nur ein Hobby, aber dieser Teamsport und die Leute in seinem Umfeld haben ihm viel mit auf den Lebensweg gegeben. «Ich glaube, das Seilziehen weckte in ihm den Ehrgeiz, nie früh zufrieden zu sein. Wenn Roman etwas will, dann gibt er alles dafür.» Dass sein Sohn nun in der Welt der Formel-1 zu Hause ist, macht Hans Giger natürlich stolz. «Es ist etwas vom Grössten, das sich ein Mechaniker wünschen kann. Roman ist ein Autöler und absolut am richtigen Ort.» Publiziert: Neue Luzerner Zeitung 06.03.2021 Formel-1-Mechaniker Roman Giger mit seinem Drift-Car – einem Nissan 200SX.